Beim Jahrestreffen von Netzwerk Recherche führt eine Affäre um Fördermittel zum Eklat. Bislang bleiben die Mitglieder der Oragnisation aber treu.

Hamburg. Die Affäre um die fehlerhafte Abrechnung von Fördermitteln bei der Journalistenorganisation Netzwerk Recherche (NR) hat bislang keine Mitgliederaustritte zur Folge. Am Sonnabendabend nach Ende der Jahreskonferenz sei sogar ein neues Mitglied eingetreten, sagte Geschäftsführer Günter Bartsch am Montag in Hamburg. Die Organisation hat eigenen Angaben zufolge 559 Mitglieder. Es seien auch keine kritischen Anrufe oder E-Mails eingegangen. „Die Diskussion, die wir während der Konferenz über das Thema geführt haben, hat offenbar die meisten Fragen unserer Mitglieder beantwortet“, schilderte Bartsch.

In der vergangenen Woche hatte das NR über fehlerhafte Abrechnungen von Fördergeldern der Bundeszentrale für politische Bildung informiert. Der seit der Gründung vor zehn Jahren amtierende Vorsitzende Thomas Leif schied aus seinem Amt, wies jedoch einen Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten bei Abrechnungen zurück.

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Der Kongress zankte und diskutierte

Plötzlich stand der Veranstalter des wichtigsten deutschen Journalistenkongresses ohne Führung da. Der Vorstand der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche (NR) war am Freitagabend nach dem ersten Tag seines Jahrestreffens auf dem Gelände des NDR Fernsehens in Lokstedt geschlossen zurückgetreten. Dieser Schritt war aber nur Mittel zum Zweck, um den NR-Vorsitzenden Thomas Leif zum Rücktritt zu bewegen. Der Verein stand vor einer Zerreißprobe.

Es war eine Affäre um Fördermittel, die das NR in diese missliche Lage gebracht hatte: Von 2007 bis 2010 hatte die Organisation von der Bundeszentrale für politische Bildung für ihre Jahrestreffen einen Defizitausgleich von insgesamt 75 000 Euro erhalten. Dass die Kongresse aber vermutlich gar keine Verluste machten, ging aus den Anträgen für die Zuschüsse nicht hervor. Die Sache flog auf, als der NR-Vorstand im Vorfeld einer geplanten Stiftungsgründung die eigenen Finanzen genauer unter die Lupe nahm. Netzwerk Recherche beauftragte eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, die sich der Sache genauer annehmen soll. Vorab wurden schon mal unter Vorbehalt die 75 000 Euro zurückgezahlt.

+++ Kommentar: Ein nicht ganz normaler Verein +++

Als Verantwortlichen identifizierte der Vorstand seinen langjährigen Vorsitzenden, den SWR-Chefreporter Leif, der sich aber nicht persönlich bereichert haben soll. Leif war im Vorstand offenbar das Mädchen für alles: Er kümmerte sich um die Organisation von Veranstaltungen, um die Sponsorensuche und eben auch um die Finanzen.

Am Sonnabend, als der Vorstand bis auf Leif wieder geschäftsführend im Amt war, sagt Schatzmeisterin Tina Groll ("Zeit Online"): "Ich und meine Vorgänger haben keinen Einblick in die Finanzen gehabt." Der bisherige Zweite Vorsitzende Hans Leyendecker ("Süddeutsche Zeitung"), der NR nun kommissarisch vorsteht, ergänzte: "Wir haben Leif alleingelassen." Wenn Ende des Jahres der Vorstand neu gewählt wird, will er nicht wieder kandidieren.

Die Affäre überschattete einen gelungenen Kongress mit Debatten über die Zukunft von ARD und ZDF, Wahrhaftigkeit bei der Recherche und einem Referat von Günter Grass.