Es ist die einfachste aller Fragen. Zugleich aber die intimste, elementarste, umfassendste. Wer sie beantworten will, braucht Mut und Aufrichtigkeit.

Drei kurze Worte, ein Fragezeichen. Wer bin ich? Eigentlich eine einfache Frage. Name, Alter, Beruf. Fertig. Aber es ist auch eine von den Fragen, die - hat sie sich erst mal im Kopf festgesetzt - einen nicht mehr loslässt und eine andere Dimension eröffnen kann. Dann ist es keine einfache Frage. Aber eine sehr spannende. Weil es nicht eine Antwort gibt, sondern immer mehrere. Weil es heute die eine Facette sein kann und morgen eine andere. Weil es um Identität geht und die Suche danach. Es ist eine Frage, die zur Bestimmung des Standorts und einer Reise zu sich selbst einlädt. Zumindest zu einem Kurztrip. Bist du Lenas Neuer? Bist du Oberschwabe? Europäerin? Oder: Wer sind Sie? Die Referendarin in der Rechtsabteilung? Philipps Mutter? Sind Sie hier richtig? - unter diesem Motto hatte das evangelische Magazin "Chrismon" seine Leser vor einigen Wochen aufgerufen, auf die Frage "Wer bist du?" zu antworten. Die Reaktion war erstaunlich.

Mehr als 1000 Antworten aus ganz Deutschland gingen in der Redaktion ein. Mal waren es einzelne Worte, mal ein Gedicht. Andere haben gezeichnet oder eine Geschichte geschrieben. Und immer war es sehr persönlich. Blicke hinter die Fassade. "Ich bin ..." heißt die "Chrismon"-Titelgeschichte in der Juli-Ausgabe. Auch viele Menschen aus Hamburg und dem Norden haben sich an der Aktion beteiligt.

"Es ist eine der Grundfrage, die sich jeder Mensch stellt", sagt Thomas Schramme, Professor für Praktische Philosophie an der Universität Hamburg. Dabei gehe es eben nicht nur um eine Feststellung, wer man ist: verheiratet, HSV-Fan oder Paulianer, Vegetarierin, strahlend vor Glück, verzweifelt oder auf dem Weg zu etwas Neuem. "Wenn man sich fragt: Wer bin ich?, steckt darin immer auch die Frage: Wer will ich sein?", sagt der Philosoph. Denn die meisten gingen ja davon aus, dass sie sich bis zu einem gewissen Grad selbst formen könnten. "Und dazu muss man überlegen, was für ein Mensch man ist."

Dass sich so viele von dieser Frage haben inspirieren lassen, liegt wohl auch daran, dass man sie sich so selten stellt. Das Abendblatt fragte bei einigen Absendern noch einmal nach.

Ines Lessing aus Eimsbüttel zum Beispiel antwortete ganz spontan. "Ich bin gerade so ganz Mutter - und so gern", sagte sie. Neun Monate alt sind ihre Zwillinge Fionn und Jonna inzwischen. "Da sind ganz viele Gefühle", sagt die 37-Jährige. Auch weil es noch ein drittes Kind gab, Carlotta, die vor zwei Jahren gestorben ist.

Edna Friederike Scheibe, 42, aus Lurup hat einen Text eingeschickt, mit dem sie sich im vergangenen Jahr auf eine Arbeitsstelle beworben hat "und ich habe sie auch bekommen". Auch Celina Keckstein, 11, aus Niendorf hat die Frage beschäftigt. "Unser Deutschlehrer hat uns von der Aktion erzählt und wir haben eine Stunde dazu gemacht", sagt die Sechstklässlerin vom Gymnasium Ohmoor. "Das fand ich sehr interessant." Sie hat sich dann selbst befragt, manchmal auch mit ihren Freundinnen verglichen. "So bin ich auf die Zeile mit den großen Füßen gekommen", sagt sie und lacht. Mit dem Ergebnis war sie zufrieden und hat es abgeschickt. Mit der Frage "Bin ich ich????", endet ihre Introspektion. Die Antwort: "100%ig."

Das Abendblatt veröffentlicht Celinas Antwort und eine Auswahl anderer. Und wann haben Sie sich zum letzten Mal gefragt: "Wer bin ich?"

Angelika von Aufseß, 53, Othmarschen

Sabine Dierks, 47, Oldenfelde

Ines Lessing, 37, Eimsbüttel

Oliver Hölzen, 26, Barmbek

Celina Keckstein, 11, Niendorf