Film und Literatur - eine kleine Kulturgeschichte des Boxsports

Oft zittern Filmemacher vor dem Kinostart ihrer Werke. Bei "Klitschko" dürfte das etwas anders sein. Der Dokumentarfilm hat zwei ungewöhnlich populäre Protagonisten und wird ziemlich sicher sein Publikum finden. Vitali und Wladimir Klitschko sind nicht nur im Ring schlagkräftig, clever und charismatisch. Ihre Lebens- und Erfolgsgeschichte erzählt dieser Film unterhaltsam nach. Wenn sie boxen, jubeln ihnen die Massen zu. Das hilft auch im Kino.

Diese Erkenntnis ist fast so alt wie die Kunstform selbst. Für "The Champion", einen der ersten erfolgreichen Boxfilme, stellte sich Charles Chaplin 1915 selbst in den Ring. Seinen harten Punch verdankte er einem Hufeisen im Handschuh. Gebrochene Helden, gescheiterte Existenzen, unerwartete Comebacks - das zieht. "The Champ" mit Wallace Beery in der Hauptrolle zeigte als Protagonisten einen alkoholabhängigen Ex-Champion, der sich noch einmal in den Ring stellt. King Vidors Film gewann 1932 zwei Oscars und war später Vorlage für zwei Remakes.

Noch mehr Ringgeschichten zwischen Triumph und Niederlage erzählt die "Rocky"-Saga von und mit Sylvester Stallone, die zwischen 1976 und 2007 über sechs Kino-Runden ging. Der Hauptdarsteller schrieb sich dafür eine Erfolgsstory auf den muskulösen Leib.

Dass die Realität spannender sein kann als die Fiktion, zeigt einer der besten Boxfilme aller Zeiten. "When We Were Kings" schildert den Kampf Muhammad Alis gegen George Foreman 1974 in Zaire und seine Vorgeschichte. Regisseur Leon Gast hat die Ereignisse ungeheuer packend aufgearbeitet.

Im Kino blieb das Kämpfen im Ring meist Männersache. Clint Eastwood aber inszenierte 2004 "Million Dollar Baby" mit Hillary Swank und sich selbst in den Hauptrollen. Sie gewann einen Oscar für ihr Spiel, er einen für die Regie. Kürzlich kam "The Fighter" über zwei ungleiche Boxbrüder in die Kinos. Auch er gewann zwei Academy Awards.

Kino und Boxen ist eine Erfolgspaarung. Ring wie Leinwand sind passende Orte für Triumphe und Tragödien. Der Kampfsport polarisiert zwar die Zuschauer, besitzt aber ein hohes dramatisches Potenzial. Vielleicht deshalb haben sich immer auch Intellektuelle für den Faustkampf interessiert. Norman Mailer hat über das Boxen geschrieben und selbst im Ring gestanden. Jan Philipp Reemtsma war von Muhammad Ali so fasziniert, dass er über ihn im Buch "Mehr als ein Champion" nachdachte.

Joyce Carol Oates hat in ihrem Essay "Über Boxen" geschrieben, dass diese Sportart eine Metapher für das Leben selbst sei und "kaum ein bloßer Sport". Essenziell und gefährlich also. Ungeheuer spannend, aber auch ziemlich anstrengend. Das wissen natürlich auch die Klitschkos. Vielleicht spielen sie deshalb am Ende des Films zur Abwechslung einfach mal Schach.