... dauert manchmal eine Zigarette, in diesem Fall eine ganze Stunde: Das Künstlerduo Plan B schreitet in “The Last Hour“ zur Generalabrechnung.

Hamburg. Was sagt man seinen Liebsten, wenn man nur noch eine Stunde Zeit hat? Wenn einem nur noch wenige Momente bleiben, um reinen Tisch zu machen? Wenn die Uhr zum Countdown unaufhaltsam tickt? Diese Frage beschäftigte Sophia New und Daniel Belasco Rogers so sehr, dass sie daraus 2003 eine Performance entwickelten: In "The Last Hour" kommt alles zur Sprache, was noch gesagt werden muss. Bekenntnisse, Dankbarkeit und Liebe genauso wie aufgestauter Ärger oder Verwünschungen. Alltägliches und Poetisches.

Die zeitliche Begrenzung verleiht jedem Wort besonderes Gewicht und steigert den Druck der Emotionen bis zum unweigerlich letzten Moment. Bislang hat das Duo die Performance viermal aufgeführt. In London beendete sie ein Theaterfestival, so wie sie heute zum Finale des Live-Art-Festivals auf Kampnagel einen einstündigen Schlusspunkt mit Tusch setzt.

"Wir proben den Abend nicht, führen ihn höchstens einmal pro Jahr auf und versuchen ganz bewusst, nicht gut darin zu werden", sagt Daniel Belasco Rogers, ein Mann mit lachenden Augen hinter einer Hornbrille und dezentem Bärtchen. Gerade das Nicht-Proben steigert die Spannung, die Nervosität.

"Wir sprechen vorher weniger miteinander, um etwas für die Performance aufzubewahren. Die Statements müssen überraschend sein, und das ist nicht so einfach, wenn man wie wir gemeinsam arbeitet und sein Leben miteinander teilt."

Seine Partnerin Sophia New, eine aparte, ebenfalls bebrillte junge Frau mit dunkelroten Locken, nickt. "Es geht natürlich immer um die Dinge, die uns in dem Jahr akut bewegen." Das Setting ist eine recht nackte Versuchsanordnung. Streng kostümiert sitzen die Performer an Tischen nebeneinander, vor sich ein unerbittliches Mikrofon, das ihre Wahrheiten in den Raum vergrößert. Es gibt keine Tricks, keine Ablenkung, keine Tänzerinnen. Auf der Leinwand hinter ihnen klickt eine überdimensionierte Schachuhr. Über sie bestimmen beide ihre Redezeit. "Die Person, die an der Reihe ist, entscheidet, wie lange sie spricht. Das ist die einzige Regel", sagt Sophia New. "Wir können entscheiden, ob wir auf die von dem Partner gestellte Frage antworten oder ein anderes Thema aufwerfen, das uns wichtiger erscheint."

Die Performance trägt den typisch finalen Charakter eines Samuel-Beckett-Stückes. Einen Hauch von "Das letzte Band" oder "Endspiel". Die Idee entlieh das Duo von einer Sendung, die einen Monat lang live im britischen Radio ausgestrahlt wurde. Alle Arbeiten des Duos, das an der Grenze von Installation, Video und Performance agiert, sind im Leben verwurzelt. Einmal hat das Paar die SMS-Mitteilungen eines ganzen Jahres aufbewahrt und zu einer Performance verarbeitet.

Seit elf Jahren sind New und Belasco Rogers ein Paar. Auf die Liebe zueinander folgte die zur Stadt Berlin. Getrennt bewarben sie sich um ein Künstlerstipendium - und gewannen beide. Damals haben sie erkannt, dass sie gut zusammenarbeiten können. New übernimmt meist die Kommunikation, Belasco Rogers kümmert sich um die technische Seite. Mit seinen Arbeiten gastiert das Duo auf internationalen Festivals von London bis Graz. Außerdem haben beide Lehraufträge.

Eine Rolle bei den Vorüberlegungen zu "The Last Hour" spielten die überlieferten letzten Telefonate, die die Menschen mit ihren Angehörigen führten, bevor die Flugzeuge am 11. September 2001 in die Türme des World Trade Centers rasten. "Die Tatsache, dass wir heute Mobiltelefone haben, ermöglicht, in kritischen Momenten mit unseren Liebsten zu sprechen. Wir fahren mit der Kommunikation fort", sagt Belasco Rogers. "Aber was sagen wir und wie sagen wir es? Die Performance verhandelt nicht einen derart kritischen Moment, das wäre zu groß, um damit auf der Bühne umzugehen. Es geht uns eher um ein Miteinander-Teilen als um ein Ende."

Bei der Aufführung in Cardiff war New hochschwanger mit der gemeinsamen Tochter und sah sich nicht in der Lage, letzte Dinge zu verkünden. Deshalb benannte Plan B den Abend kurzerhand um in "The First Hour". Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne - und manchmal auch dem Ende.

Plan B: The Last Hour Sa 11.6., 22.00, Kampnagel, Jarrestraße 120; Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de