Hamburg. Neu ist das nicht, über den zeitgenössischen Tanz zu reden, anstatt ihn zu zeigen oder gar selbst aufzuführen - der französische Tänzer und Choreograf Jérome Bel hat diese Entwicklung angestoßen in seinem Protest gegen das Repräsentationstheater. Auf ihn beruft sich auch Sasa Asentic, der serbische Choreograf aus Novi Sad, er imitiert ihn in seinem Solo "My Private Bio-Politics" im Rahmen des Live Art Festivals am Wochenende auf Kampnagel. Darin erzählt er, wie er Tänzer wurde, was er mit ein paar sparsamen Bewegungen illustriert. Seine kroatische Kollegin Ivana Müller bittet in ihrer Performance "60 Minutes Of Opportunism" die Zuschauer sogar, sich ihren Tanz zur Musik einfach nur vorzustellen, während sie auf der leeren Probebühne steht und ihr Publikum fixiert.

In beiden Stücken legen die Choreografen die Ausgangssituation ihrer Arbeit offen: Sie bieten ein Diskurstheater über das Entstehen von Theater, üben Kritik an Produktionsbedingungen und Publikumserwartungen.

Müller erhielt das Angebot von einem Festivalleiter, ein Solo zu entwickeln. Obwohl sie dazu keine Lust hatte und außerdem seit 2002 nicht mehr auf der Bühne stand, ergriff sie die Gelegenheit, nicht zuletzt der Gage wegen, wie sie offenherzig bekennt. Nun steht sie da, stumm, mit einem Rucksack, während ihre Stimme vom Tonband ihre Gedanken beschreiben. Körper und Stimme agieren getrennt. Wer repräsentiert da wen?

Asentic bekennt, sein "work in progress" habe sich nun in der dritten Aufführungsphase zum "work in regress" entwickelt. Denn seit er das Stück bei Festivals zeige, sei er Teil des von ihm kritisierten Systems geworden. Der Choreograf will ein Video drehen, um sich zu bewerben, und überlegt Strategien, wie er als osteuropäischer Künstler am besten in den westlichen Netzwerken Erfolg haben könnte.

Die Künstler reflektieren selbstironisch über Tanz und Theater, über die Zwänge von Markt und Moden. Bleiben beide auch den Tanz schuldig, demonstrieren sie charmant und humorvoll, wie sich Kunst und Leben bedingen und durchdringen. (-itz)

Das Live Art Festival läuft noch bis 11.6., Infos unter www.kampnagel.de