Der Große deutsche Popmusiker spielte im Stadion des Hamburger SV vor knapp 50.000 Menschen eine fulminante Show mit Überlänge.

Hamburg. In der S-Bahn stehen am frühen Mittwochabend keine grummeligen Pendler, sondern gut gelaunte Menschengruppen aller Altersklassen. Sie haben den Vatertag in diesem Jahr einfach vorgezogen und feiern ihn als "Männer"-Tag. Das gemeinsame Ziel der plaudernden, scherzenden, von Vorfreude wie elektrisiert wirkenden Ausflügler ist das Stadion im Volkspark. Dort ist an diesem Abend nicht der HSV die Heimmannschaft, sondern ein einzelner Bochumer mit der Kondition eines ganzen Kaders von Profisportlern: Herbert Grönemeyer leitet den "Schiffsverkehr" der Hansestadt um, von der Elbe nach Stellingen.

Die Masse "Mensch" schwappt aus der Bahn und wird von Volksfeststimmung empfangen, lange bevor sie die Imtech-Arena erreicht hat. Die Fan-Kneipe am Bahnhof, die Bierbude an der Buskehre und die Stände kurz vor dem Eingang; überall laden Musik, Grillwurst und Bier zum Zwischenstopp ein. Unfreiwillig aufgehalten werden viele, die mit dem Wagen anreisen. Denn nicht nur knapp 50 000 Herbert-, sondern auch 13 000 Handball-Fans sind zu diesem Zeitpunkt unterwegs und verheddern sich im Straßenverkehr. Es staut sich. Doch auch die Autofahrer kommen schließlich an und strömen ins blau-schwarz-weiße Rund.

Regelmäßige Stadiongänger erkennt man dort schnell: Sie kennen sich aus und streben zielstrebig ihren Block an. Andere müssen sich erst einmal orientieren, lassen sich die Richtung weisen, während die Abendsonne die Reihen in warmes Licht taucht.

Die ist gerade hinter dem Dach verschwunden, als Grönemeyer auf die Bühne tritt, "Schiffsverkehr", den Namenspatron für Tour und Album intonierend. Wie viele Kilometer er während der nächsten drei Stunden zurücklegen wird, kann man nur schätzen. Denn Stillstand ist das Seine nicht. Wenn er nicht am Piano sitzt, läuft er über den weit ins Publikum hineinreichenden Bühnensteg und animiert die Menge zu noch größerer Euphorie.

Seine Bewegungsfreude führt auch dazu, dass man Grönemeyer manchmal aus den Augen verliert zwischen den bis zum Oberrang hochragenden Aufbauten und seiner Band, in den Kunstnebelschwaden, die von den allerletzten Sonnenstrahlen durchbrochen werden. Zum Glück hängen neben Boxen und Scheinwerfern auch diverse riesige LED-Schirme von den Türmen. Ein Kontrollblick, und man hat den adrett im Sakko über die Bühne flitzenden Star wiedergefunden.

Das Grau seines Jacketts steht in völligem Gegensatz zur Laune Grönemeyers. Sich selbst, seine Band und die ohnehin schon begeisterten Hamburger treibt er hingebungsvoll von Höhepunkt zu Höhepunkt, dreht die Emotionsschraube von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt und wieder zurück. "Halt mich", singen sich Pärchen und Ehepaare noch gegenseitig ins Ohr, "Sie mag Musik nur, wenn sie laut ist" wird allgemein als Aufforderung zu größtmöglichem Stimmvolumen verstanden. Und für einige Minuten scheint das Ruhrstadion an den Volkspark gezogen zu sein. Denn nicht einmal der glühendste HSV-Fan kann sich "Bochum" verschließen, der Stadionhymne des VfL. Und die klingt in Hamburg so, als ob es doch funktioniert hätte mit dem Wiederaufstieg des Lieblingsteams von "Gröni".

Das "Stück vom Himmel", das man durch das Dach sehen kann, wird langsam dunkler, doch Grönemeyer denkt noch lange nicht ans Aufhören. "Zeit, dass sich was dreht" heißt die Devise, Bangemachen gilt nicht.

Auch nicht für die Band. Die hat sich irgendwann in den hart verdienten Feierabend verabschiedet, doch der Meister ist am Mittwoch unkaputtbar, unaufhaltbar, unersättlich. Er holt die Musiker wieder zurück auf die Bühne. Erst nach drei Stunden und dem gefühlt 40. Zugabenblock, als alle Hände lahm vom Klatschen und alle Kehlen rau vom Mitsingen sind, verabschiedet sich Herbert Grönemeyer endgültig.

Er hat ein weiteres Mal eindrücklich unter Beweis gestellt, dass er der Größte unter den Großen der deutschen Popmusiker ist.