Manchmal nimmt der Zufall ein Leben in die Hand. Jörg Weil, heute 39, Altenpfleger, übernahm von seinem Vormieter in Harburg die Aufgabe, nach der zarten alten Dame nebenan zu schauen, ihr Wasserflaschen zu holen, zu sehen, ob es ihr gut geht. Seine Nachbarin, das war die vor zwei Jahren verstorbene international renommierte Künstlerin Hanne Darboven, die heute 70 Jahre alt geworden wäre.

Von 2006 bis zu ihrem Tod im März 2009 kümmerte sich Jörg Weil um sie - aus dem Vorbeischauen wurde ein Job, der viel mehr war als das. Sie gab dem freundlichen jungen Mann Aufträge, kleine Besorgungen. Er begegnete ihr ohne die Ehrfurcht mancher Kunstfreunde - und sie, die schwierig sein konnte im Umgang, abweisend, kurz angebunden, sprach nicht mehr lange nur "in Steno" mit ihm, wie er das nennt. So entstand ein Umgang miteinander, in dem Reden auch über Privates nicht tabu war. "Für mich war sie immer die Hanne." Weil hat Modelle für sie gebaut, die sie dann zeichnete; die Blätter hängen in der Kunsthalle.

Bis heute hält ihn die Arbeit für sie in Atem, "die Ziegen sind da, und es ist immer was mit dem Haus, dem Hof". Hat er mal Freizeit, kümmert er sich um seine Freundin, den Sohn und den Hund. Aber Hanne Darboven lässt ihn nicht los. Jörg Weil hat ihr am Ende versprochen, ein Auge auf ihre Sachen zu haben. Inzwischen weiß er: Das wird eine Lebensaufgabe.