Hamburg. „Will denn keiner Lena sehen?“ fragten Kölner und Berliner Zeitungen letzte Woche besorgt, als Lena Meyer-Landrut in halb gefüllten Großarenen auftrat. Diese Frage kann man am Mittwoch auch in Hamburgs komplett bestuhlter O2 World angesichts der etwas über 7000 anwesenden Besucher stellen. Viel ist das nicht für Deutschlands kleine Abräumerin beim „Eurovision Song Contest 2010“ in Oslo, die dazu in den neun Monaten seit dem Vorverkaufsstart auch noch zwei Nummer-Eins-Alben, „My Cassette Player“ und „Good News“, aufgenommen hat.
Der Jubel beim Auftakt mit „Not Following“ klingt aber schon vielversprechend. Und lässt man die abflauende, außerhalb von Hannover und den Medien vielleicht nie real existierte Lenamania beiseite, sind 7000 Hamburger Besucher äußerst respektabel. Für einen gecasteten Star, wohlgemerkt. Die No Angels konnten zu ihren Hochzeiten 2002 knapp 5000 Fans in der Alsterdorfer Sporthalle zusammentrommeln, ansonsten besuchen im TV gesuchte und gefundene Bands und Interpreten, auch die aus dem qualitätsbewussten Hause Stefan Raab (Max Mutzke, Stefanie Heinzmann), auf Tournee eher kleine bis mittlere Klubs. Oder sie sagen wie „DSDS“-Mehrzad ihre Auftritte gleich komplett ab, weil niemand Karten kauft. Dabei lockt live das große Geld, aber den deutschen Kunstprodukten sind die prallen Töpfe versperrt. Es gibt noch Gerechtigkeit im Pop. Kaum zu glauben.
Also 7000. Während Hamburgs Popvolk an diesem Abend in rappelvolle Klubs zu Wombats, Human League, Portugal.The Man oder Boyce Avenue pilgert, feiern sichtlich viele Gäste in der O2 World ihre Konzert-Premiere. In Lenas Alter, 19, sind wenige. Aber sehr viele Kinder wuseln aufgeregt mit bunten, flatternden Transparenten („Lena, wir lieben Dich!“) durch die Halle. Es gibt ja auch schlechtere Gelegenheiten für den ersten Konzertbesuch oder einen vorösterlichen Familienausflug. Mama besorgt Softdrinks und vergisst das Bier für Papa, der vor der Halle noch die Lena-Sondermodelle ihres Auto-Werbepartners beschaut. Und die Lütten treiben das Personal am Weingummi-Stand in den Wahnsinn: „Einen davon... und... ääh... noch einen davon.“ Niedlich!
Niedlich ist auch Lena, wie sie da auf der riesigen, von mächtigen LED-Batterien beleuchteten Bühne steht und für ihr Dutzend Musiker inklusive Background-Chor und Streicher den Ton angibt. „You Can’ Stop Me“ intoniert sie selbstbewusst, tänzelt auf ihren Turnschuhen und wirkt routiniert wie eine Tina Turner mit 50 Jahren Bühnenerfahrung auf dem Buckel.
Fast alle ihrer kommenden Konkurrenten beim Grand Prix im Mai in Düsseldorf würden an so einem Abend sehr wahrscheinlich gnadenlos scheitern, aber Lena braucht sich für die Live-Interpretation von „Love Me“, „What Happened To Me“ oder „Good News“ nicht schämen. Der von Raab geprägte, langsam abgestandene Bärenfell-vor-Kamin-Soul Marke „At All“ und die etwas überambitionierten vier Tänzerinnen sowie der noch nicht perfekt sitzende, unveröffentlichte Song „Wanna Find Love“ sind zu verschmerzen.
Denn Lena trifft wie gewohnt nicht jeden Ton, aber den Nerv. Sie hat ihren Spaß („Hamburch! Das ist so schön!“) am großen Auftritt, wir haben großen Spaß an „Taken By A Stranger“ (Top Ten in Düsseldorf, Wette gilt!), „Satellite“ und „New Shoes“, die Fans wirbeln ihre LED-Winkelemente, die Band pumpt. Mit „I Like You“ beschließt Lena nach 90 Minuten kniend die Show. Das darf man mögen. Nur Eines nicht: keine Kindergrößen am Fanartikelstand – kein Spaß!
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