Die Hotel-Bar als Treffpunkt für Nachtschwärmer

Wenn Männer sich auf ein "gepflegtes Bierchen" treffen, so ist dies nur die Umschreibung für eine effiziente Druckbetankung ohne weibliche Begleitung, vorzugsweise in Eckkneipen namens "... bei Uschi und Heinz". Dort wird die Bar im Allgemeinen ja auch als "Tresen" bezeichnet; dort wird sie wohl auch ihrer ursprünglichen Schutzfunktion gerecht. Denn "Bar" ist bloß die verkürzte Form des Wortes "Barriere", mit der sich die ersten Wirte im Wilden Westen - zuerst in den "Drugstores", später in den "Saloons" - vor ihrer rauflustigen Kundschaft schützten. Und natürlich die Flaschen hinter ihnen, die beißende Kornbrände enthielten, für deren zweifelhaften Genuss man erheblichen Mut und Stehvermögen mitbringen musste.

Irgendjemand muss damals daher zwangsläufig auf die Idee gekommen sein, diesen Fusel durch die Beigabe von Zucker, Honig und Fruchtsäften erträglich zu machen. Womit die Frage nach der Entstehung des "Cocktails" hinreichend beantwortet sein dürfte.

Bar und Cocktails sind also uramerikanische Erfindungen, wobei Letztere von den europäischen Einwanderern sukzessive optimiert wurden, was durch die jahrhundertealte Trinkkultur der Alten Welt möglich wurde. So um das Jahr 1900 herum wurden jedoch die ersten amerikanischen Cocktailrezepte nach Europa reimportiert, da die "American Bar" Einzug in den Hotels der großen Metropolen hielt. Die Getränkepreise waren freilich exorbitant, denn die feine Klientel legte großen Wert darauf, unter Gleichesgleichen Geschäfte zu machen, Kontakte zu knüpfen oder einfach nur wegzuglimmern: den Tag (und häufig gleich auch noch die Nacht) Revue passieren zu lassen, in angenehm gedämpftem Licht und verqualmter Luft, begleitet von taktvoll zurückhaltender Pianomusik.

"When I dream of afterlife in heaven, the action always takes place at the Paris Ritz." Dieses Zitat stammt von Literatur-Nobelpreisträger Ernest Hemingway, der neben seinem literarischen Talent vor allem den echten Kerl verkörperte. Einer, der die hohe Schule des mannhaften Trinkens weltweit populär machte; einer, der um die wahre Bedeutung eines einfühlsamen Barkeepers wusste: Denn die Journalistin Mary Welsh, seine vierte Frau, mochte es gar nicht, wenn er nach Alkohol roch. Als er dem Barmann des Ritz dieses Problem beichtete, servierte der eine Mischung aus scharf gewürztem Tomatensaft und Wodka. Hemingway soll gejubelt haben: "Well done! Bloody Mary never smelled a thing!"

In Deutschland lebte die (Hotel-)Barkultur dagegen erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf. Ende der 1950er-Jahre wurde dann auch der Begriff "Cocktail" (endlich) zum festen Bestandteil der deutschen Sprache. Doch spätestens seit den 1970er-Jahren ging es dann gerührt oder geschüttelt vorwärts. Und weil nun auch immer mehr Frauen (und zunehmend jüngere Nachtschwärmer) die gediegen-ungezwungene Atmosphäre einer eleganten Hotelbar zu schätzen lernten, erlebten promillefreie Mixgetränke einen Boom, der ungebrochen ist. Wenn Hemingway das geahnt hätte ...

Plötzlich war die Hotelbar nicht mehr der Wurmfortsatz eines Beherbergungsbetriebes, sondern wurde möglichst zum eleganten, hauseigenen Treffpunkt aufpoliert: mit ordentlich geschultem, fremdsprachenbeherrschendem Personal, einer umfangreichen Getränkekarte, einem durchdachten gastronomischen Konzept und, nicht zu vergessen: langstieligen Löffelchen für die Erdnüsse und Pickern für die Oliven. Wenn dann auch noch das Interieur und die Beleuchtung stimmen, kann man getrost sitzen bleiben. Ansonsten bleibt zumindestens den Hotelgästen ja immerhin noch die Minibar als Ausweg.