Viel Beifall für “Enron“ mit Martin Semmelrogge in den Kammerspielen

Hamburg. Ein lauter Knall. Dunkelheit. Die Spekulationsblase ist geplatzt, das Spiel um Milliardengewinne auf der Bühne ist verloren. Regisseur Ralph Bridle hat sie in seiner Inszenierung von Lucy Prebbles "Enron" an den Kammerspielen selbst zum Schauplatz gemacht - mit einem elektronischen Schriftband und Monitoren für die aktuellen Aktienkurse.

Hier toben sich die kriminellen Hasardeure mit ihren aufgeblasenen Ideen und Machtfantasien aus. Das Theater im Theater hält Nicki von Tempelhoffs Finanzjongleur Jeffrey Skilling auf Trab, sekundiert von Martin Semmelrogges kauzigem Finanzchef Andrew Fastow. Auf der Rutschbahn der schwarzen Schräge balancieren die Kumpel lachend am Abgrund. Sie manövrierten den texanischen Energiekonzern Enron 2001 in den Bankrott, brachten 20 000 Beschäftigte um den Job und die Anleger um ihr Geld. Und auch hier, auf der Bühne, sind nur Zahlen die Sache des Managers Skilling.

Der hat eben seine Kollegin und Rivalin Claudia (Marlène Meyer-Dunker) verführt, dann ausgebootet und will nun Enron verkaufen. Smart, akkurat gescheitelt und kaltschnäuzig gibt Nicki von Tempelhoff den Karrieristen. Der gerät trotz steigender Kurse rasch in die Klemme.

Mit einer Drei-Prozent-Klausel für anteiliges Kapital an Firmengründungen entwirft Fastow einen verführerischen Rettungsplan, der jedoch in die Pleite führt. Semmelrogge macht aus dem schlitzohrigen Spinner, dem "King der getürkten Zahlen", einen koboldhaften Mephisto mit Stachelfrisur, der die Firma in den Ruin treibt. Skilling glaubt an sein "Geschäft der Zukunft", triumphiert wie im Rausch: "Ich bin Enron." Nach den aufgeflogenen Schwindelbilanzen stürzt er mit den fallenden Kursen ab, der Gefangene eines von ihm inszenierten Theaters hat den Anschluss an die Realität verloren.

Deshalb gewinnt Prebbles Stück und folgerichtig auch Bridles Inszenierung nach der Pause zunehmend die Züge einer Farce. Die Lehman-Brüder tauchen als Marx Brothers auf, die Raptoren und Rechtsanwälte rebellieren. Mit dem Ideenkraftwerk Enron kollabiert auch dessen Vorstandsvorsitzender Kenneth Lay (Harald Maack). Fehlt dem Spiel anfangs noch Überzeugungskraft, so findet das Ensemble in der surrealen Zuspitzung zu satirischer Schärfe. Politiker sind für Lacher gut, Spitzenmanager für Kalauer.

Die mit viel Beifall bedachte Aufführung erklärt die Finanzwelt nicht, sondern entlarvt sie als nach eigenen Regeln funktionierenden Mechanismus: ein Tanz ums Kapital, das nach wie vor ungehindert von der Politik seine Scheinspektakel betreibt. Die auf Realitäten basierende Farce kann immerhin als Warnung vor dem nächsten Besuch beim Bankberater dienen, der mit neuen Ideen für Investitionen aufwartet - oft zu seinem eigenen Profit.

Enron bis 22.5., Kammerspiele, Karten: T. 0800/413 34 40; www.hamburger-kammerspiele.de