Bibiana Beglau verschafft Hans Henny Jahnn Gehör und liest heute Abend aus “Perrudja“, seinem Meisterwerk des Expressionismus.

Thalia Gaußstraße. Er gilt als Genie. Er hat ein umfängliches literarisches und ökologisches Werk geschaffen. Doch Hans Henny Jahnn (1894-1959) gehört auch zu den von vielen vergessenen Künstlern des 20. Jahrhunderts. Kinogänger werden kürzlich über den Namen gestolpert ein, wenn sie Andres Veiels Film "Wer wenn nicht wir" gesehen haben. Bertram Vesper und Gudrun Ensslin, deren Biografien Veiel beleuchtet, waren glühende Verehrer des bisexuellen Schriftstellers, Orgelbauers, Architekturtheoretikers und politischen Aktivisten aus Hamburg. Eine breite Rezeption hat Jahnn aber zeit seines Lebens und auch nach seinem Tod nicht erfahren. Es waren weitgehend Eingeweihte, die immer wieder auf die Qualität seiner Prosa und seiner Stücke hingewiesen haben.

Nun leistet auch das Thalia-Theater an der Gaußstraße einen kleinen, aber feinen Beitrag dazu, dass Hans Henny Jahnn nicht völlig in Vergessenheit gerät. Die Schauspielerin Bibiana Beglau hat sich Jahnns frühen Roman "Perrudja" vorgenommen und liest Auszüge in einem konzertanten Hörstück.

Jahnns ausufernde Sprache trifft auf Maierhofs experimentelle Musik

Hans Henny Jahnns ausufernde, bildgewaltige Sprache trifft auf experimentelle Musik des Hamburger Komponisten Michael Maierhof. Mit ihrer furiosen Lesung erweckt Beglau die Personen aus dem 1929 erschienenen Werk zum Leben und macht neugierig auf diesen verkannten Sprachkünstler.

"Perrudja" spielt in der abgelegenen Bergwelt Norwegens, dort wächst der Titelheld einsam auf. Seine Herkunft ist ungewiss, doch ein geheimnisvoller Fremder versorgt ihn mit hohen Geldbeträgen. Mit dem Geld baut Perrudja eine Festung und gründet eine Organisation, mit deren Hilfe er Gerechtigkeit und Frieden in die Welt bringen will. "Perrudja", von Jahnn in seinem ersten norwegischen Exil während des Ersten Weltkrieges konzipiert, aber erst ein Jahrzehnt später vollendet, enthält bereits die wesentlichen Themen, die sein ganzes Werk durchziehen: die Angst vor dem Tod und dem Altwerden, die Liebe zu Tieren, hier zu einer schönen Stute, homo- und heterosexuelle Liebe, Blutsbrüderschaft und den Versuch, mit der Natur und der Schöpfung in Harmonie zu leben. "Perrudja" gilt in der Literaturgeschichte als ein Meisterwerk des Expressionismus, doch die experimentelle Sprache verhinderte auch bei späteren Neuauflagen, dass allzu viele den Roman lasen.

Zum 120. Geburtstag 2014 werden vielleicht einige Jahnn-Werke neu aufgelegt. Die Schriften des Mahners und Querdenkers sind von großer Aktualität und verdienen, neu entdeckt zu werden.

Perrudja: heute, 20.00, Thalia Gaußstraße (Bus 2), Gaußstr. 190, Eintritt 20,-; www.thalia-theater.de