Ob Jüngere wie Spaceman Spiff, Moritz Krämer und Alin Coen oder Ältere wie Tom Liwa und Bob Dylan: Warum Singer-Songwriter lebenswichtig sind.

"Ich trinke Tee mit meiner Seele und ihr kriegt auch ein Tässchen ab, wenn ihr noch bleibt." Diese Verse, die der Hamburger Hannes Wittmer da als Spaceman Spiff singt, könnten eine Erklärung sein. Eine Erklärung, warum derzeit so viele Menschen jenen Sängern zuhören, die nachdenkliche Zeilen zur Akustikgitarre anstimmen. So wie ein anstrengendes Sporttraining jene Muskeln aktiviert, von deren Existenz wir bisher nichts ahnten. So wie diese Fasern dann noch Tage später in unserem Körper ziehen und zerren. So berühren diese feinen Lieder Gefühle in unserem Inneren, die verborgen liegen.

Tom Liwa schafft das zum Beispiel, wenn er von dieser Freundin erzählt, die keinen Frieden findet: "Sie sieht sich selber nachts leuchtend in ihrem Zimmer liegen", singt er.

Das Leben, es ist manchmal zu viel. Im Schönen wie im Schlechten. Es erschöpft. Und bei diesen sachte justierten Liedern können wir auftanken. Neben all den großen Wasserbehältern, die in Arztpraxen und Büros bereitstehen, um den Durst zu löschen, sollten musikalische Trostspender stehen. Mit Stücken von Bob Dylan und Joni Mitchell, von Cat Power und José González, von Gisbert zu Knyphausen, Alin Coen und dem jungen Moritz Krämer. Ein Schluck davon geht unter die Haut.

Tom Liwa zählt mit seinem 50. Geburtstag im Oktober zu den Älteren dieser Zunft, die gemeinhin als Singer-Songwriter bezeichnet werden. Und Liwa weiß um die Wucht, die im Leisen liegt. Er singt: "Verzeih mir, ich hab mich nie getraut zu fragen, was hinter dieser Tür passiert, aus Angst, ich könnt es nicht ertragen." Seinem Kollegen Elliott Smith ist genau das passiert. Er hat es nicht mehr ausgehalten. Der, der zerbrechliche Lieder von größter Schönheit schrieb, konnte in der süßen Melancholie keinen Trost mehr finden. Stattdessen öffnete er Tür für Tür. Und ging Etage um Etage tiefer.

Wie paradox, dass ausgerechnet Smith' traurige Songs in manchen Momenten das Gefühl höchstmöglicher Geborgenheit bieten. Und wenn Tomte-Sänger Thees Uhlmann in dem Song "Wie sieht's aus in Hamburg" verkündet: "Und alle 20 Minuten denkst du an Elliott Smith", dann denkt man trotz all des Pathos: Ja, das stimmt. Weil es hilft.

Die Melodien und Worte sickern ein, koppeln sich an die Erinnerung und spülen an die Oberfläche, wenn sie gebraucht werden. Beim ersten Tag, der den Sommer verabschiedet und die Luft kühler über die Arme streicht, singt etwa Zwanie Jonson im Kopf: "It is time to wear a sweater. Or to be a football star." Die Sonne scheint weniger kräftig. Aber die Zukunft steht weit offen.

Oder diese Nacht im Krankenhaus. Es tut noch weh. Aber alles ist gut gelaufen. Niels Frevert ist über Kopfhörer zu hören, er will auf Sand aufwachen. Und da ist dieser Wunsch, sich sofort bei ihm zu bedanken. Dafür, durchatmen zu können. Und zu weinen.

Und dann dieser Vormittag mit einer Freundin im Lieblingscafé. Die Kings Of Convenience schicken zart Gezupftes aus den Boxen. Sie waren der Soundtrack zu einem einst geliebten Menschen. Es tut nicht mehr weh. Aber vieles ist schiefgelaufen. Und da ist diese Freude, die Musik endlich wieder hören zu können. Ohne zu weinen.

Und es werden neue Singer-Songwriter kommen, die unser Leben untermalen. Die es intensivieren. Die den großen Muskel zucken lassen. Den in der Brust. Und wenn Sie demnächst jemanden sehen, der mit Knöpfen in den Ohren Musik hört, in der Bahn oder im Bus zum Beispiel: Denken Sie nicht sofort, dass sich dieser Mensch einfach nur von der Außenwelt abwendet. Vielleicht trinkt er nur einen Schluck Wasser. Oder Tee mit seiner Seele.

1. Singer-Songwriter-Festival mit Oskar, Maike Rosa Vogel, Tadday, Emily's Escape Fr 8.4., 20.00, Honigfabrik (Bus 13), Industriestr. 125, Eintritt: 12,-/erm. 10,- (Ak.); www.honigfabrik.de