Lykke Li und Katie Melua entpuppten sich bei ihren Hamburger Konzerten als bezaubernde Live-Künstlerinnen - jede auf ihre eigene Weise

Hamburg. Am Anfang und am Ende des Konzerts in der O2 World steht Katie Melua ganz allein auf der Bühne. In bronzefarbenen Leggins und einem Hauch von Tüll sieht sie mit der Akustik-Gitarre vor dem Bauch ein bisschen aus wie ein ins 21. Jahrhundert transportiertes Blumenkind.

Das Bild funktioniert recht gut, denn Melua zieht ihre Einflüsse nicht nur aus Pop, Blues und Jazz, sondern lässt sich auch von der Hippie-Ikone Janis Joplin inspirieren. Die Gesellschaftskritik, die in der Bewegung der 60er-Jahre stets mitschwang, ist Melua aber fremd. Ihr einziger zaghafter Schritt in Sphären jenseits der Gefühlswelt, den sie als Appell für den Umweltschutz ankündigt, heißt "Walk Lightly On The World". Diesen intoniert sie ebenso gekonnt wie alle anderen Songs an diesem Abend, aber es fehlt etwas. Melua macht Wohlfühlmusik, dazu passt Düsteres nur sehr bedingt. So bleibt ihr Aufruf zum liebevollen Umgang mit der Welt ein hübsches Lied, mehr nicht.

Selbst wenn sie von zerbrochenen Liebschaften und Traurigkeit singt, ihre wirklich beachtliche Stimme spinnt einen warmen Kokon der Behaglichkeit um die 5000 Besucher. Sie trägt die Songs des aktuellen Albums "The House" genau wie die eingestreuten älteren Titel wie "The Closest Thing To Crazy" oder ihren Langzeit-Hit "Nine Million Bicycles".

105 Minuten lang beweist sie ein ums andere Mal ihr Stimmvolumen, beizeiten wirken ihre Bemühungen fast wie ein Bewerbungsauftritt für das Konservatorium. Die klaren, hohen Töne im Wechselspiel mit tremolierendem Schaulaufen beeindrucken dann auch fast alle. Einziger klanglicher Wermutstropfen für die 5000 Besucher ist das stetige Brummen, das aus irgendeinem Instrument dringt und die verträumte Stimmung ein wenig stört.

Für merkwürdige Geräusche der beabsichtigten Art sorgte vorher ihr Tour-Support Yoav, der - dank eines ganzen Teppichs von elektronischen Helferlein vor seinen nackten Füßen - Klänge aus seinem Instrument herausholt, die dort niemand vermutet hätte. Das Konzept des Jungen mit der Gitarre hat der Israeli, der in Südafrika aufgewachsen ist, gründlich durch den Wolf gedreht: Indem er sich selbst fortwährend aufnimmt und wieder abspielt, seine Songs so Schicht um Schicht aufbaut, entwickelt er komplexe Klangkompositionen, die Lust auf ein Wiedersehen im Juni beim Hurricane-Festival machen.

Die Gegensätze zwischen der gebürtigen Georgierin, die heute zu den reichsten britischen Bürgern zählt, und dem Wuschelkopf, der nach seinem Auftritt twitterte, dass er es sogar noch zum Konzert von Lykke Li in die Große Freiheit geschafft habe, bilden einen Spannungsbogen, den man sich auch allein für Meluas Auftritt gewünscht hätte. Denn das Potenzial, weit mehr als nur technisch brillanten Pop mit Anleihen aus anderen Genres zu machen, hat sie definitiv.