Hamburg. Im Rückblick wirkt alles nostalgisch. Auch die 80er-Jahre mit ihrer Aufspaltung in linken Protest und die unpolitische Generation Golf. Spätestens seit Sven Regeners erfolgreicher "Herr Lehmann"-Trilogie sind sie auch ironiefähig.

Die Locken zerzaust, steht Sven Fricke als Frank Lehmann auf der Bühne des Altonaer Theaters: "Irgendwas ist schiefgelaufen." Die Verweigerung hat er verschlafen, die Kaserne ruft, die Eltern zweckentfremden sein Zimmer, in der Ausweich-WG beharken sich linke Politaktivisten, und eine Freundin hat er auch nicht. Und doch entwickelt der willenlos durch sein halbfertiges Leben Taumelnde Haltung. Regisseur Georg Münzer, der mit Anja Del Caro auch die Stückfassung erstellte, treibt in seiner Inszenierung des Regener-Romans "Neue Vahr Süd" die Irrungen des liebenswerten Losers so temporeich und clever auf die Spitze, dass kein Fall für die Klamaukpolizei droht. Vielmehr betont die Inszenierung die sanfte Lebensmelancholie, die hinter der Fassade der Skurrilität lauert.

Eine herrliche Gerümpelinstallation funktioniert mal als Wohngemeinschaftsklause, mal als Kaserne (Bühne: Franziska Gebhardt). Meist in Mehrfachrollen turnt darauf das furios aufspielende Ensemble. Dirk Hoener navigiert zwischen Choleriker-Hauptmann und Kleinbürger-Vater und Manuel Klein gibt Lehmann-Kumpel Martin Klapp mit hippiesker Nonchalance. Inmitten des galoppierenden Irrsinns bewahrt Sven Frickes Lehmann eine Balance aus Gleichgültigkeit und Aufruhr.

Und so ist "Neue Vahr Süd" vor allem ein versöhnliches Wiedersehen: mit den Cordsofas, den Schlaghosen, den langen Haaren und den Anti-Atomkraft-Stickern, mit Liebesqualen und wahrer Freundschaft. Kate Bush singt "Army Dreamers". Dieser Lehmann hat das Zeug zum Bühnen-Hit.

Neue Vahr Süd bis 30.4., Altonaer Theater, Museumstraße 17, Karten T. 30 30 98 98; www.altonaer-theater.de