Regisseur Kornél Mundruczós bringt “Die Zeit der Besessenen“ nicht überzeugend auf die Bühne. Ein mehr oder minder interessantes Bilderpuzzle.

Hamburg. "Hier geht die Zeit zu Ende": Der bedeutungsschwere Satz fällt gleich zu Beginn in Kornél Mundruczós Bühnenadaption von Dostojewskis "Die Dämonen" im Thalia in der Gaußstraße. Bruchstückhaft und ungeniert bedient sich der ungarische Filmregisseur bei Motiven und Hauptfiguren des 1871/72 entstandenen Romans für seine assoziativ-sprunghafte Szenencollage "Die Zeit der Besessenen".

Er verlegt die Handlung um den Anarchisten Stawrogin und seine rebellische Gruppe nach Amerika und in die Gegenwart. Diese bereiten auf einem stillgelegten Flugplatz "eine Aktion" vor, die auf das Attentat vom 11. September 2001 hinweist. Hat Sandra Strunz in der Gaußstraße mit ihrer Bearbeitung von Don DeLillos "Falling Man" die innere Zerstörung als Folge der äußeren bei der Katastrophe von 9/11 zu analysieren versucht, fragt nun Mundruczó, wie es zu solchen Ausbrüchen von Gewalt kommen kann. Antworten findet er in den mit Revolver-Slapstick und Kalauern inszenierten Grabenkämpfen zwischen Anführer Stawrogin (Tilo Werner), Pjotr Werchowenski (Bruno Cathomas) und Schatow (André Szymanski) jedoch nicht.

Lisa, die frühere Geliebte Stawrogins, erteilt den beiden "Amateuren" Flug- und Schießunterricht. In und um den abgewrackten Wohnkiosk auf Martón Ághs mehr an Ostblock als an US-Provinz erinnernder Bühne streiten sich die Revoluzzer im Angesicht des Todes, saufen, lieben und prügeln, und hüpfen (halb)nackt im Schnee herum. Derlei Anachronismen, Brüche und Widersprüche sind ein Stil- und Spielmittel des Ungarns. Es gelingen ihm zwar skurrile, auch poetische Bilder, aber er vergisst oft, dass die Schnitt-Dramaturgie auf der Bühne anders als im Film funktioniert. So entsteht ein mehr oder weniger interessierendes Bilderpuzzle, für das Dostojewski rudimentäres Spielmaterial liefert.

Die Schauspieler können den konfusen Plot zwischen Gangster-Serie und Russenrevolution nicht plausibel machen. Tilo Werner zeichnet indifferent und zynisch den "bösen Erlöser" Stawrogin. Auf ihn projizieren Männer eine Führerfigur, Frauen ihre Liebeswünsche. Vergeblich. Franziska Hartmann (Lisa) und Gabriela Maria Schmeide (Maria) spielen die Schwestern im Unglück. Die rätselhafte Rächerfigur des Mädchens (Leneke Eisenbarth/ Lillian Toase) ist sogar mit Macht über Leben, Tod und Atombombe ausgestattet. So simpel lässt sich aber Dostojewski nicht auf den Kopf stellen und plakativ mit der Angst und Ratlosigkeit durch Terrorismus, Umstürze und die nukleare Katastrophe kurzschließen.

Die Zeit der Besessenen 2.,7. u. 21.4., 19.00, Thalia in der Gaußstraße, Karten T. 32 81 44 44; www.thalia-theater.de