“Die Zeit der Besessenen“: Der ungarische Autor und Regisseur Kornél Mundruczó ist im Thalia-Theater auf der Suche nach dem Bösen.

Thalia. Kornél Mundruczó stapft durch den Watteschnee seiner gigantischen Bühnenkulisse. Die dunklen, wachen Augen kontrollieren jedes Detail. Seine Stimme ist leise, die Szenarien, die er auf die Bühne bringt, die sind jedoch brutal und extrem. Manchmal ist er selbst erschrocken darüber, wie nah seine Kunst an der Wirklichkeit ist. Der ungarische Autor und Regisseur steckte gerade mitten in den Proben seines neuen Stücks, da schwappte die Welle des Tsunamis über Japan. Seine Inszenierung "Die Zeit der Besessenen", die auch die Tschernobyl-Katastrophe thematisiert, musste angepasst werden. Eine Woche vor der Premiere.

Eigentlich kommt Mundruczó vom Film. In Ungarn gehört er zu den herausragenden Regietalenten. Seine Arbeiten wurden unter anderem in Cannes ausgezeichnet. Thalia-Intendant Joachim Lux sah ihn auf einem Festival in Riga - und lud ihn sofort nach Hamburg ein. Das "Judasevangelium" war 2009 das erste Theaterprojekt, das Mundruczó außerhalb Ungarns auf die Bühne brachte. Eine Herausforderung für den 35-Jährigen, der sich lange Zeit hauptsächlich als Filmregisseur sah. Schon damals stellte er das Thalia auf den Kopf, stattete die Bühne mit etlichen Videokameras aus. Ein Filmregisseur, der sich auf der Bühne austobt. Film und Theater, so sagt er, kann und will er nicht trennen.

In seiner neuen Regiearbeit will Mundruczó, ausgehend von Dostojewskis Roman "Die Dämonen", einen neuen Blick auf die Ereignisse des 11. September werfen. Was ihn an Dostojewskis Roman über das vorrevolutionäre Russland fasziniert? Zum einen "dass bei ihm die Radikalisierung nicht nur durch eine kritische Haltung in Gang gesetzt wird, sondern auch durch Emotionen und Enttäuschungen". Das passt zu seinem Stück, in dem er nach der menschlichen Veranlagung von Gewalt sucht. "Die Zeit der Besessenen" spielt auf einem verlassenen Militärflughafen in Amerika, wo immigrierte Russen das Fliegen lernen. Vermutlich, um einen Terroransclag zu planen.

Ein halbes Jahr arbeitete er an den "Besessenen", dann gingen die Menschen auf die Straße - in Ägypten, in Libyen. Wieder sah sich der ungarische Künstler von der Realität eingeholt: "Es ist atemraubend, wie das Stück von Tag zu Tag aktueller wird." Bis zur Premiere wird daran gefeilt. Mundruczó kommt selbst aus einem Land, in dem zurzeit der Unmut wächst. Zehntausend Menschen haben diese Woche in Budapest gegen das umstrittene Mediengesetz, das die Pressefreiheit einschränkt, protestiert. "Es ist eine schwere Zeit für Künstler in Ungarn", so Mundruczó. "Ich hoffe sehr, dass die kritische Haltung, die für meine Generation charakteristisch war, in dieser politischen Situation nicht verloren geht."

Seine Zuschauer will er im Thalia "nicht entmündigen". Er findet es furchtbar, wenn ihm im Theater gesagt wird, was er denken oder fühlen soll. Er hofft auf den Mut der Zuschauer, eigene Antworten zu finden.

Die Zeit der Besessenen Premiere 19.3. um 19.00, Thalia in der Gaußstraße (Bus 2), Gaußstraße 190, Eintritt 26,-, www.thalia-theater.de