Sven Fricke spielt die Hauptrolle in der Bühnenadaption von Sven Regeners Erfolgsroman “Neue Vahr Süd“ am Altonaer Theater. Eine Begegnung.

Hamburg. Alle lieben Frank Lehmann. Auch Sven Fricke. Mit scheinbar angeborener Lässigkeit sitzt er im Ledersessel und lugt unter seiner Schirmmütze hervor. Den Lehmann-Blick hat der Schauspieler schon ganz gut drauf - diese geläuterte Alles-egal-Haltung gepaart mit unaufdringlicher Klarsicht auf die Welt.

Element-of-Crime-Sänger und Erfolgsautor Sven Regener hat vor drei Jahren seine Lehmann-Trilogie mit "Der kleine Bruder" vollendet. Am Altonaer Theater steht nach Mona Kraushaars erfolgreicher Inszenierung von "Herr Lehmann" 2008 erst einmal der Folgeroman "Neue Vahr Süd" auf dem Spielplan. An diesem Sonntag feiert die Bühnenversion, eingerichtet von Regisseur Georg Münzel, Premiere. Die Geschichte ist den Ereignissen in "Herr Lehmann" zeitlich vorgeordnet und schildert Geschehnisse des Jahres 1980 bis zur Abreise Lehmanns nach Berlin.

Für Hauptdarsteller Sven Fricke ist die Figur eine Traumrolle. "Mich reizt, dass der sich nicht verbiegt", sagt Sven Fricke. "Er ist relativ klar bei sich, auch wenn er die Frage 'Wie bist du?' gar nicht beantworten könnte." Moden oder kluges Geschwätz interessierten Lehmann nicht. "Er ist auf eine nicht provokante Art renitent", findet Fricke, "diese Leidenschaft zur Querdenke ist selten geworden." Wenn die Punks Lehmann beim gemeinsamen Blick auf die Weser erzählen, dass er sich bewegen und Bremen verlassen müsse, sagt er Nein. Es sei doch völlig egal, wo man auf den Fluss schaut, solange man nur auf den Fluss schauen will.

Die Stückfassung kann naturgemäß nur ein Extrakt des 600-Seiten-Wälzers liefern. "Das Mäandernde von Lehmanns Gedankengängen stößt bei einem Wechsel des Mediums an Grenzen", sagt Sven Fricke. "Ich weine wirklich jedem Satz hinterher." Die gewisse Lebensweisheit quer zum heutigen Mantra der Stromlinienförmigkeit verhindert nicht, dass Lehmann dödelig und verpeilt durch sein angebrochenes Leben stolpert. Nach dem Abitur verpennt er die Verweigerung und muss zum Bund. Die Eltern gestalten sein Zimmer in jenem gesichtslosen Neubauviertel, das dem Roman den Namen gab, zum Hobby-Raum um. Lehmann pendelt fortan zwischen Kasernendrill und einer Bremer Chaos-Wohngemeinschaft aus linken Politaktivisten.

"Auch das kenne ich irgendwie", bekennt Sven Fricke. "Manchmal hat man zu viele Optionen und weiß nicht, welche man greifen soll. Das ging mir nach der Schauspielschule ähnlich." Der gebürtige Berliner Fricke, Jahrgang 1979, haderte Lehmann-typisch aus Angst vor Ablehnung damit, an Schauspielschulen vorzusprechen.

Angenommen wurde er dann doch an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Erste Rollenangebote führten ihn mit Simon Stephens "Port" (Regie: David Bösch) ans Thalia in der Gaußstraße und in Kristo Sagors Version von Musils "Die Verwirrungen des Zöglings Törless" ans Junge Schauspielhaus. Drei Jahre war er fest am Theater Bremen engagiert.

Auch bei ihm hätte sich immer alles eher zufällig ergeben, sagt Fricke. "Neue Vahr Süd" gilt zwar als Coming-of-Age-Erzählung im Gewand eines Schelmenromans, es bleibt aber völlig offen, wohin sich dieser passive Frank Lehmann eigentlich entwickelt. Die Dinge und auch die Liebe passieren ihm einfach so. Bis er dem Militär überraschend doch noch entkommt und am Ende sein Auto Richtung Berlin hin zu neuen Abenteuern steuern kann. "Ich hoffe, dass der da oben auf der Bühne für die Leute eine Reflexionsebene, ein Spiegel sein kann", sagt Sven Fricke. Zumindest weiß er am Ende, worauf er keine Lust hat. Frei nach dem berühmten Satz des von Fricke verehrten Autors Herman Melville, der seinen Helden Bartleby sagen lässt: "I would prefer not to." - "Ich würde lieber nicht."

Neue Vahr Süd Premiere So 20.3., 19.00, Altonaer Theater, Museumstraße 17, Karten 9,- bis 44,- an allen Abendblatt-Ticketshops und unter der Ticketline T. 30 30 98 98; www.altonaer-theater.de