“Schiffsverkehr“ heißt das neue Album von Herbert Grönemeyer. Wir haben es angehört. Gestern, auf der Spree bei Kaffee und Apfelschorle.

Berlin. Noch hat hier nichts mit Herbert Grönemeyer zu tun. 200 Journalisten auf Spree-Kaffeefahrt auf der MS "Mark Brandenburg". Nett ist das. Es gibt Apfelschorle, Wein, aus den Lautsprechern hört man Nelly Furtados Album "Loose". Das Album, das 2007 das meistverkaufte in Deutschland war. Gleich dahinter rangierte "Zwölf", das bisher letzte Studioalbum Grönemeyers. Es waren Lieder über Religion, Trennung und die Liebe und ihren Begleiter, den Zufall. Mit Texten wie:

Du bist die, die mich atmet, die mich

fliegt?

Die mich rührt und die mich stählt?

Du bist die, die mich findet, mich

verliebt?

Wenn du willst, bist du alles das,

was zählt?

Das neue Album "Schiffsverkehr" wird an diesem Nachmittag vorgestellt. Daher auch das Schiff. Es gibt Würstchen zum Event. Presse und Fans, nachher sogar im Internet, sind dabei. "Herbert ist ja dafür bekannt, dass er immer mal was Neues macht, auch auf seinem Album", sagt einer von der Plattenfirma. Er sagt immer nur "Herbert".

Herbert Grönemeyer ist, neben Udo Lindenberg und Peter Maffay, seit Jahrzehnten einer der erfolgreichsten deutschen Sänger. So eine Albumvorstellung, bei der noch Geld ausgegeben wird, gibt es kaum noch. Nur wenn man weiß, dass sich die Sache auch lohnt. Herbert, das ist der, der "Bochum" gesungen hat, 1984, und einer ganzen Region aus dem Herzen sprach. Herbert, das ist auch der, der 2002 mit "Mensch" einer ganzen Nation Mut machte, weil er sich hinstellte und sagte: Hört zu, mir geht es auch wieder besser, schwach können wir sein, aber nicht aufgeben. Das alles nach dem 11. September 2001 und während der Jahrhundertflut. Damals verkaufte sich das Album 3,7 Millionen Mal. Das bislang meistverkaufte der deutschen Musikgeschichte. Er meldete sich zurück, nachdem im November 1998 in kurzer Folge erst sein Bruder und dann seine Frau starben.

Jetzt zuhören. Premiere auf dem Schiff. Aus den Lautsprechern singt nicht mehr Nelly, sondern Herbert.

Ich will mehr Schiffsverkehr

Endlich auf hohe See

Stell mich vor

Das leere Tor

Ich schlag mich fein in Seide ein

Geb mir ewigen Schnee

Pures Gold, Wohin ich seh

Und leb mich voran

Und leb mich voran

Und ich verliere mich in mir.

Es ist eine rockige Nummer. Hart, und ichbezogen. Herbert, der Egoist. Sind wir doch alle mal.

Das zweite Lied: "Kreuz meinen Weg" ist so düster wie die Stimmung unter den Brücken, unter denen das Schiff hindurchfährt. Aggressiv, dunkel, mit hartem Beat, der den wilden Herzschlag des personalen Ichs, das hier besungen wird, vorantreibt. Heldengesang. Es geht um Haltung. Und irgendwie, so sagt er es später, auch um den Afghanistan-Krieg.

Danach ist man ganz weg. Nummer 3, Nummer 4 und Nummer 5 sind Liebeslieder, musikalisch reduziert, mit der üblichen Wortgewalt.

Bevor das Morgenlicht dich

entführt, Dieser Augenblick bricht

Unterschreib mit weißer Tinte

Lass Kleingedrucktes übersehn

Du darfst nicht gehen.

Der Rhythmus nimmt wieder zu, die weiche Stimme von eben verdunkelt sich. 6, 7. Der Fernsehturm und das Rote Rathaus ziehen vorbei.

Glücklich ist nur der, der vergisst.

8, 9, 10. Liebe, Nicht-vergessen-Können, Trennung. Mit neuen Arrangements. Souliger, jazziger. 11 hat sogar Country-Einflüsse. Und das ist dann auch der Abschluss. So, wie das Album begonnen hat, endet es:

So was wie mich kann's nur einmal

geben, keiner liebt mich so wie ich

Will mit mir in der Sonne liegen.

Ironischer Abschluss. Aus, noch mehr Würstchen. Die Schifffahrt ist zu Ende. Gleich spielt Herbert noch live.

Im Haus der Kulturen.

Melanie, 27, Soldatin bei der Bundeswehr, ist als Fan hier. Sie hatte sich auf Grönemeyers Internetseite beworben, eine von glücklichen zehn, die hier dabei sind. Sechs Rundfunkstationen der ARD sind zugeschaltet, der ORF überträgt nach Wien, auch im Netz ist die Herbert-Show live zu sehen.

Erster Auftritt: Grönemeyer am Flügel im kleinen Saal. Er wird interviewt, erzählt, wie und wo er sein Album aufgenommen hat. In den Abbey Road Studios in London, dort, wo auch Jimi Hendrix, David Bowie und U2 schon waren. "Für mich sind alte Schiffe immer ein Symbol von Freiheit, für Aufbruch und Sommer, und deswegen habe ich die Platte auch so genannt."

Plötzlich singt Grönemeyer. Eine Arie, etwas, das ihn inspiriert hat. Dann "Schiffsverkehr", nur mit Klavier, das wirkt schön. Alter Mann, immer noch blond, dicker, immer noch leidenschaftlich. Und vielleicht ein bisschen aufgeregt. Schiffsverkehr, sagt er, das steht für chaotische Lebensfreude. Zweites Lied live: "Zu dir". Melanie, die Soldatin, schaut ihm zu. Auch sie sieht schön aus. Mit Perlen am Hals und in einem schwarzen Cashmere-Pullover.

Weil sich's nur zu leben lohnt

Wenn du mich betonst

Will ich zu dir.

Erster Applaus des Abends. Melanie sagt: "Das finde ich am besten. Das hat mir schon auf dem Schiff gut gefallen." Sie streichelt mit der Hand über ihren Arm, als hätte sie Gänsehaut. Und nennt ihn auch nur noch "Herbert". Der sagt: "Solang man es nicht übertreibt, ist Kitsch auch was ganz Positives." Es geht um die Streicher. Die gibt es jede Menge auf "Schiffsverkehr".

Sprichst du vom selben Glück

Du sehnst dich weit zurück

Und du schaust mich an

Singt er für seine Mutter, die Alzheimer hat. Er sagt: "Schwäche ist relativ attraktiv, wenn man auch ab und zu mal stark ist. Ich glaube, das ganze Einzelkämpfertum fällt eh gerade in sich zusammen." Grönemeyer will Spenden für Japan sammeln, gemeinsam mit anderen Künstlern. Während der Fragestunde wartet Melanie, bis sie sich das Mikrofon geholt hat. "Ich bin Oberfeldwebel. Wie hast du dich bei deinem Lied 'Kreuz meinen Weg' in die Soldaten in Afghanistan hineinversetzt?" - "Ich habe versucht nachzuvollziehen, wie sich das anfühlt. Diese Sprachlosigkeit, mit niemandem sprechen zu können. Viel gelesen. Es gibt sinnvollere Aufgaben für die Soldaten. Das Lied soll für die eine Hilfe sein."

"Danke", sagt Melanie.

"Schiffsverkehr" erscheint am 18. März auf EMI.