Nach sechs Jahren lässt der Kriminalschriftsteller Friedrich Ani seine Hauptfigur wieder aufleben: Der ewig Suchende sucht wieder.

Des Suchens war er müde geworden. Er war es leid, Menschen aufzuspüren, die eigentlich gar nicht gefunden werden wollten, weil sie ihr altes Leben gegen ein neues eingetauscht hatten. Tabor Süden heißt er, dieser Mann, der seinen Dienst als Hauptkommissar auf der Vermisstenstelle der Münchner Kripo quittierte, weil auch er weg, selbst Neues erleben, nicht mehr allein suchen wollte.

Seinen Abschied nahm er im Jahr 2005 in "Tabor Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel": Friedrich Anis 13. Kriminalroman mit diesem ungewöhnlichen Ermittler, der auf der Vermisstenstelle arbeitet und doch seinen eigenen Vater nicht finden kann. Vor mehr als 30 Jahren hat der Vater den Sohn allein zurückgelassen. Später ging der Sohn auf die Suche, nicht nur nach seinem Vater. Bis er es am Ende eben leid war.

Grimme-Preisträger Friedrich Ani, Münchner aus Passion, der das Landleben hasst, weil er dort (in Kochel am See) aufwachsen musste, hat Tabor Süden jetzt wieder zurückgeholt in die deutsche Krimilandschaft, was ihm zu danken ist. Schlicht betitelt ist der neue Roman, "Süden" heißt er.

Es ist der Anruf seines Vaters aus einer Telefonzelle, der Tabor Süden nach München zurückkommen lässt, ein Anruf jedoch, der unvermittelt abbricht, weil dem Vater offenbar das Kleingeld ausgegangen ist. Doch gleichwohl, Tabor Süden hat eine Spur und findet einen Job in einer Detektei, als "Vermisstensucher" natürlich, denn sein Ruf als erfolgreicher Ermittler hat nicht gelitten in all den Jahren seiner Abwesenheit.

Dieses Mal ist es ein Gastwirt, zwei Jahre bereits ist Raimund Zacherl fort, dieser "heitere Geselle", wie ihn seine Frau beschrieb. An einem "Karsamstag" war es, als Zacherl allem Gewesenen Adieu sagte und in das Dunkel eintrat, das ihm Neues versprach und Licht vor allem.

Wovon Friedrich Ani, 52, erzählt, das ist eine Welt, die sich ihrer selbst ganz gewiss scheint, weil sie den Blick verloren hat für all das andere, was sie umgibt, als Bedrohung wie auch als Verlockung. Eine Welt, die in Konventionen zu ersticken droht, in der die "Zimmerlinge", wie Ani sie nennt, hausen in einer verwahrlosten Heimat, die nicht mehr ist als ein fragiles Konstrukt, das zu zerbrechen droht unter der Last verdrängter Wünsche und ungestillter Sehnsüchte.

Ani hat ein ungemeines Gespür für seine Charaktere, mögen sie noch so kaputt sein, er erleuchtet ihre Verlassenheit, ihre Einsamkeit von innen heraus, sodass auch sie Licht sind und Schatten werfen. Und er vermag wunderbar anrührend zu erzählen.

Seelische Bedrängungen und soziale Milieus - seien es staubig gewordene Lebensräume oder verschwiegene Schlupfwinkel - schildert Friedrich Ani, der neben Romanen auch Drehbücher und Jugendbücher schreibt wie wohl kein zweiter deutscher Kriminalschriftsteller.

Und das Lesen der Tabor-Süden-Romane entführt in Welten, die man eigentlich nie betreten wollte. Dort aber angekommen, ist man froh, es getan zu haben. Es öffnet Augen und Sinne.

Südens Suche nach dem verschwundenen Gastwirt endet schließlich auf Sylt, dort strandet am Ende diese anschwellend spannend erzählte Geschichte. Südens Suche nach dem Vater ist da schon längst vorbei.

"Verfluche nicht dein Leben, du hast nur eins", heißt es im Roman. Was banal klingt, spricht eine tiefe Wahrheit aus. Sie erzählt von der Verantwortung dem Leben gegenüber. Dem eigenen wie auch dem der anderen.

Friedrich Ani: "Süden" Droemer-Verlag, 368 Seiten, 19,99 Euro