Ani schildert fragile kleinbürgerliche Fassaden. Matti Geschonneck hat das Buch mit starken Darstellern verfilmt.

Krimi: Hinter blinden Fenstern. 20.15 ZDF

Friedrich Ani erzählt Geschichten von Menschen, die ihren inneren Ort verloren haben. Menschen, die auf der Suche sind, verzweifelt meist und bar jeder Hoffnung. Ani, 1959 geboren und in München lebend, stellt diese Schicksale in das Zentrum seiner mehrfach ausgezeichneten Kriminalgeschichten. "Sie handeln und denken aus einer Verwundung heraus", sagt Ani über seine Figuren. "Ein Schmerz pulsiert in ihnen, den sie nicht loswerden und den sie eines Morgens als Teil ihrer Persönlichkeit akzeptieren." So ist das auch in seinem Kriminalroman "Hinter blinden Fenstern", den Matti Geschonneck nach einem Drehbuch von Hannah Hollinger für das ZDF bearbeitet hat. Der Film, eher kammerspielartig als aktionsreich inszeniert, spielt in einer kleinbürgerlichen Siedlung irgendwo in München. Brave Bürger scheinen dort zu wohnen, doch hinter einer Fassade der Wohlanständigkeit verbirgt sich die Tristesse eines grauen Alltags. Ein gescheiterter Schauspieler lebt dort, ein ehemaliger Detektiv, der das Licht der Öffentlichkeit scheut, eine Nachtklubbesitzerin mit ihrer Freundin und ein Mann, der den Bürgerverein "Achtsame Mitmenschen" gegründet hat, eine Art Blockwart also, der alles beobachtet von seinem Fenster aus und es fotografisch dokumentiert.

Diese fragile Welt zerbricht, als ein Mädchen verschwindet, die Freundin der Bordellbesitzerin ermordet und ein Stadtstreicher tot in einer Mülltonne gefunden wird. Kommissar Polonius Fischer von der Münchner Mordkommission (wunderbar von Hanns Zischler verkörpert) beginnt zu ermitteln und entdeckt "hinter blinden Fenstern" die Abgründe menschlicher Leidenschaften.

"Aus der Lebenswelt meiner Figuren entsteht das Drama, und dieses fordert den Kommissar heraus", sagt Ani, der auch Jugendbücher und TV-Drehbücher schreibt, über seine Geschichte. "Das kriminalistische Geschehen ist immer zweitrangig. Erstrangig sind die in ihren Zimmern gefangenen Menschen, die irgendwann aufbegehren: Sie verschwinden - oder sie töten."

Auch Polonius Fischer war ein Suchender. Lange Jahre lebte er zurückgezogen als Mönch, bis er langsam an einem gerechten Gott zu zweifeln begann und schließlich die Mönchskutte ablegte. So kam er zur Polizei - weshalb Anis Kriminalromane wie auch die aktuelle Verfilmung immer einen philosophischen Grund haben, auf dem sich die Geschichte entwickelt. Das ist bei Anis anderen Romanhelden ebenso: Tabor Süden arbeitet auf der Vermisstenstelle der Münchner Kripo und kann seinen eigenen Vater nicht finden, Jonas Vogel erblindet in seinem ersten Fall und ist fortan "Der Seher". Versehrte Figuren sind sie alle.

Es ist immer die innere Dramaturgie, der Anis Interesse gilt. Die Spannung erwächst aus dem scheinbar unscheinbaren Schicksal der handelnden Personen, "oftmals desorientierte Leute, solche, die man auf der Straße nicht beachtet", wie Ani sie nennt. Indem er ihre Geschichten des Scheiterns erzählt, lässt er sie aus dem Schatten heraustreten.

Matti Geschonneck hat Anis Roman einfühlsam für das Fernsehen inszeniert und die Rollen neben Zischler mit weiteren starken Darstellern besetzt: Maja Maranow als Nachtklubbesitzerin, deren Träume schal geworden sind nach einem tödlichen Unfall in ihrem Bordell, Bernadette Heerwagen als ihre von Männern bedrängte Freundin und Jürgen Tarrach, der den gefeuerten Schauspieler spielt.

"Hinter blinden Fenstern" reiht sich qualitativ ein in die hochklassigen Verfilmungen von Friedrich Anis Tabor-Süden-Romanen, von denen das ZDF zwei im vergangenen Frühjahr gezeigt hat. Ähnlich stark besetzt übrigens: mit Ulrich Noethen und Martin Feifel in den Hauptrollen.