Sasha Riva wollte Breakdancer werden, dann entdeckte ihn das Hamburg Ballett. Nun tritt er mit anderen Schülern am Ernst-Deutsch-Theater auf.

Ernst-Deutsch-Theater. Etwas ist anders auf der Bühne, wenn Sasha Riva sie betritt, spürt er das eigentlich selbst? Sein Gesicht wird kurz ernst bei dieser Frage. Vielleicht ist sie ihm unangenehm. "Manchmal", sagt er, "ist da dieser Moment, in dem man mit seinem Körper in den Saal hineinspürt. Der voller Zuschauer ist. Und man merkt, dass alles still ist. Das ist ein Moment, den man greifen kann." Den man aber auch selten hat als junger Tänzer, wenn man noch nicht so oft auf der Bühne stand. Und im Grunde auch gar kein klassischer Tänzer werden wollte.

Drei Jahre ist es her, dass Sasha Riva, 19, bei einem Vortanzen in Florenz entdeckt wurde - ein Breakdancer von der Straße, hineingeraten in eine Ballett-Audition, weil er zufällig in der Stadt war. Klassischen Tanz hatte er bislang nur nebenbei gemacht. "Nach dem Vortanzen kam eine Dame zu mir und sagte, sie würden mich gern nach Hamburg holen, an das Ballettzentrum von John Neumeier." Nie hätte er damit gerechnet. Und wollte es unbedingt - nach Hamburg kommen, zu John Neumeier. Noch heute fragt sich der Italiener, was die Dame damals in ihm sah. "Ich war ja kein klassischer Tänzer. Und das erste Jahr bei John Neumeier war das Härteste, das ich jemals erlebt habe." In den Ballettklassen hinkte er hinterher wie der letzte Idiot. Alle diese Schritte, Drehungen, Sprünge, sie waren neu für seinen Körper. Am Breakdance, sagt Sasha Riva, habe ihm die Freiheit gefallen, das Draußensein, das Antreten gegen die anderen. "Und diese Klasse mit 25 Jungs, die hat natürlich weitergemacht. Ich musste sehen, dass ich hinterherkomme."

Aber das tat er. Schon nach wenigen Monaten tanzte er sein erstes Stück. Neumeier sah es - und gratulierte ihm. In dieser Woche tritt Sasha Riva nun gemeinsam mit anderen Tänzern des Ballettzentrums im Ernst-Deutsch-Theater auf. "Werkstatt der Kreativität II", heißt der Abend, er gibt Einblick in den Stand der Ausbildungsklassen. Vor einem Jahr fand er zum ersten Mal statt. Auch Sasha Riva war dabei, als Tänzer und Choreograf. Er fiel auf. Warum, konnte nach der Vorstellung niemand so richtig in Worte fassen. Er war kein Fremdkörper auf der Bühne, das nicht, aber trotzdem einer, an dem man hängenblieb. Über den man nachdachte, noch Wochen später. Weil da etwas Freies in seinen Bewegungen war - und doch so viel ernst Gemeintes.

"Perfekt? Ich weiß, dass ich nicht perfekt bin", sagt Riva. Er sitzt aufrecht in der Bibliothek des Ballettzentrums, diese Haltung wird seinen Körper nicht mehr verlassen, die ganzen 30 Minuten des Interviews nicht. Auch den Salat, den er sich in einer Tupperschale mitgebracht hat, wird er nicht anrühren. Er ist ganz bei dem, wovon er gerade erzählt: die Geschichte seines Lebens bis hierhin. Auch wenn die Worte ihm manchmal fehlen.

Tanz beginnt, wo Worte aufhören. Diese Sprache ist nicht leicht zu verstehen. Aber wer sie einmal beherrscht, wird Worte immer ein bisschen zu blass finden. Es ist die einzige Sprache, in der sich Sasha Riva verstanden fühlt. "Das Leben außerhalb des Balletts wird für mich immer seltsamer", sagt er. "Manchmal glaube ich, dass mich da niemand so richtig versteht."

Es war vor einem Jahr, als Sasha Riva in seinem eigenen Stück tanzte. "La mia testa" hieß es, ein Stück über die Kopfschmerzen, die ihn seit seiner Kindheit quälen, oft mehrmals die Woche. Er nimmt Medikamente dagegen, aber sie schwächen seinen Körper. All das tanzte er auf der Bühne. Noch während der Vorstellung griffen sich manche Zuschauer an den Kopf, es war, als könnten sie spüren, was in seinem manchmal vorging, wenn er die Schmerzen nicht mehr aushält.

In diesem Jahr wird Sasha Riva ein Stück tanzen, in dem er sich bedankt. Bei seinen Eltern, bei John Neumeier, bei seinen Freunden. "Oft sagen mir Leute, dass ich sehr viel gebe, wenn ich tanze", sagt Riva. Seine Augen sind weit geöffnet, als er das sagt, und schauen irgendwo hin, wo man selbst gerade nicht ist. "Es ist nichts, was ich extra mache, auf das ich mich konzentriere. Es kommt einfach aus mir heraus. Und ich brauche dieses Gefühl, ich brauche die Bühne, sonst spüre ich nicht, dass ich lebe."

Nicht einmal seine Arme tanzen, als er das sagt, sie liegen ruhig auf seinem Schoß. Der Schatten seines Oberkörpers teilt das Sonnenlicht auf dem Boden in zwei große Seen. Den Salat schiebt er zurück in die Tüte, in fünf Minuten beginnt das Nachmittagstraining. Sasha Riva hat nicht auf die Uhr geschaut. Er hat es einfach gespürt.

Werkstatt der Kreativität II, heute bis 5.3., täglich, 19.30 Uhr, Ernst-Deutsch-Theater, Karten zu 27,84 bei der Abendblatt-Hotline T. 30 30 98 98