Die Lange Nacht der Weltreligionen befasst sich im Rahmen der Lessingtage mit Texten des Buddhismus und Hinduismus.

Hamburg. Der Weg zum Buddhismus, er ist verwirrend. Er führt über Treppen und Gänge zu einem lichten Raum mit hellem Holzfußboden und Blick auf den Gerhart-Hauptmann-Platz. Draußen schleppen Menschen Tüten und Taschen. Der profane Ballast. Doch die Shoppingwelt tritt rasch in den Hintergrund, als Nadja Schönfeldt und Marina Wandruszka die Fabel von "Prinz Fünf Waffen" und dem Wasserriesen "Haarige Klaue" vorlesen.

Beide Schauspielerinnen, die jüngere und die ältere, haben ihre dunklen Haare luftig hochgesteckt und schauen konzentriert über ihre Brillen auf die Papierseiten auf dem Tisch. Mit wechselnden, warmen und kräftigen Stimmen tragen die beiden Frauen vor, wie der Prinz den Furcht einflößenden Riesen zum Guten bekehrt, da nicht nur das Volk, sondern auch "Haarige Klaue" selbst so glücklicher leben könne.

"Das ist eine Vorgeschichte zum Buddha-Sein. Es ist überraschend, dass der Prinz darin so viel kämpft. Aber entscheidend ist, dass er angstfrei ist", erklärt Oliver Petersen, Buddhismuslehrer am Tibetischen Zentrum. Ein Mann, der mit Hemd und Sakko nicht zwingend nach spiritueller Suche aussieht, aber sehr gewitzt und anschaulich davon zu erzählen versteht. Zusammen mit dem Zen-Mönch Bertrand Schütz, mit Wandruszka, Schönfeldt und weiteren Ensemblemitgliedern des Thalia-Theaters probt Petersen für die Lange Nacht der Weltreligionen, einer Kooperation mit der Uni Hamburg, die diesen Sonnabend einen der Höhepunkte der Lessingtage am Alstertor markiert.

Proben bedeutet in diesem Fall vor allem: Textarbeit und Diskussion. Und wie sich die Gruppe da an die Fabeln, Gebete und buddhistischen Lehrtexte aus verschiedenen Jahrhunderten annähert, ist direkt, neugierig und keineswegs von Ehrfurcht geprägt.

"Buddha ist aber schon von menschlicher Geburt, oder?", will Matthias Leja wissen. Mit seinem grünen Armeehemd und seinem Dreitagebart sieht der Schauspieler so aus, als würde er gerade von einer Tibet-Exkursion kommen. "Ja, aber er musste mehrmals wiedergeboren werden, bis er zur Buddhaschaft gelangte", antwortet Petersen und erklärt zudem, dass Buddha "der Erwachte" bedeutet.

"Jeder ist potenziell der Erwachte. Aber auf das 'potenziell' kommt es an", sagt Mönch Schütz und grinst, sodass die lustige Lücke zwischen seinen Schneidezähnen sichtbar wird. Mit seiner Glatze und dem aufgeweckten Blick repräsentiert Schütz auch ohne Gewand den Prototypen des gut gelaunten, gelassenen buddhistischen Mönchs, wie ihn viele Westler vor dem inneren Auge haben.

Gut 100 Minuten Texte zum Buddhismus haben Regisseurin Maria Ursprung und Dramaturgin Sandra Küpper für die Bühne eingerichtet, ergänzt durch Tanz, Rituale sowie erläuternde Gespräche. Rund ebenso viel Zeit haben die Theatergänger am Sonnabend, um den Hinduismus kennenzulernen. Eine lange Nacht eben.

Zu hören bekommt das Publikum dann auch "Die vier edlen Wahrheiten". "Theater und Buddhismus stimmen in sofern überein, dass die Emotionen im Mittelpunkt stehen, die positiven wie die negativen", sagt Schütz. In der Lehre Buddhas klingt das jedoch weniger nach provokantem Regietheater, sondern eher erhaben und ausgeruht: "Jemand, der die Welt in ihrer ganzen Gegensätzlichkeit betrachtet und sich durch nichts mehr verwirren lässt, der Friedfertige, frei von Zorn, Kummer und Gier: Der hat den Kreislauf von Geburt und Tod überwunden." Für Schütz entwickelt sich die Spannung des Abends am Thalia-Theater gerade daraus, dass impulsive Texte wie die Fabel von "Haarige Klaue" in Kontrast stehen zu Schriften, die nüchterner formuliert sind. Die Wahrheit, sie liegt mitunter im Widerspruch.

Immer wieder entspinnen sich an diesem knapp vierstündigen Probennachmittag angeregte Unterhaltungen. Mit Exkursen von der Frauenordination bis zu Lessings Toleranzbegriff. Und auch die eigene Identität wird mal eben infrage gestellt. Etwa mit den Versen des Herz-Sutra: "Form ist nichts als Leere, Leere ist nichts als Form", heißt es in dem bekannten Lehrstück.

Es ist ein sinnliches Erlebnis, wenn die Schauspieler all diese Texte intonieren. Der zum Teil recht komplexe Inhalt erschließt sich in dieser langen geballten Nacht gewiss nicht in Gänze. Oder, wie Leja es ausdrückt: "Da sind Sätze bei, über die lassen sich Doktorarbeiten schreiben". Doch so schön und eindringlich vorgelesen erreichen die Worte den Hörer unmittelbar. Der Weg mag verwirrend sein. Aber der Klang ist klar.

Lange Nacht der Weltreligionen (Moderation: Wolfram Weiße, Direktor der Akademie der Weltreligionen, und Thalia-Intendant Joachim Lux): 5.2., 18.00, Thalia-Theater (S/U Jungfernstieg), Alstertor, Restkarten (20,-/erm. 9,-) an der Abendkasse