Iron & Wine und Nathaniel Rateliff kommen mit Kammerpop und Folk

Eigentlich hatte Sam Beam mit Musik nicht viel am Hut. Er studierte Kunst und malte, unterrichte nach seinem Master-Abschluss in Florida und arbeitete als Beleuchter für diverse Filme, unter anderem für Mel Gibsons "Der Patriot". Doch eines Tages fing Beam an, spätabends, wenn seine Frau und sein erstes Kind schliefen, kleine Songs zu schreiben, mehr Miniaturen und Kurzgeschichten als Lieder.

Aus diesen zarten Anfängen ist inzwischen eine beachtliche Karriere geworden. Drei respektable Alben hat Sam Beam inzwischen veröffentlicht, das aktuelle Werk "Kiss Each Other Clean" ist gerade erschienen. Einen Künstlernamen hat sich der bärtige Künstler auch zugelegt, damit er nicht mit der Bourbon-Dynastie des Jim Beam verwechselt wird: Iron & Wine nennt er sich.

Aus den Miniaturen sind inzwischen komplexe Songs geworden, und auch seine Familie hat sich vergrößert. Fünf Kinder laufen inzwischen über das abgelegene Grundstück in einem Kaff in Texas, das Beam eine Autostunde von Austin entfernt bewohnt. Wenn seine quirlige Brut es zulässt, entwickelt er hier seine Songs, drei Jahre hat er für das neue Album benötigt. Aufgenommen wurde es jedoch in Chicago.

"Kiss Each Other Clean" besteht aus einem Kaleidoskop an Klängen. Marimbas werden genauso benutzt wie Daumenklavier, Harfe oder Saxofon. Sam Beam spielt einen sanften, fast magischen Folk-Kammerpop mit sehr viel Referenzen an die 60er-Jahre. "Die Songs, die ich schreibe, sind auch Erinnerungsarbeit", sagt er. "Tree By The River" ist ein gutes Beispiel dafür, Beam denkt darin an eine Jugendliebe. Musikalisch schimmern in vielen dieser mit sanfter Stimme gesungenen Lieder die Beatles, Traffic und die Incredible String Band durch. Das sieben Minute lange "Your Fake Name Is Good Enough For Me" mit seinem zündenden Groove könnte sogar als Jazz-Rock-Nummer durchgehen.

Eine wichtige Rolle bei diesem Album hat Brian Deck gespielt. Der Produzent, der schon mit Califone und Modest Mouse gearbeitet hat, begleitete Sam Beam während der langen Aufnahmesessions und brachte all die Ideen, die Beam entwickelt hatte, in die richtige Form. Brian Deck half auch einem anderen jungen Musiker auf die Sprünge, ebenso vollbärtig wie Sam Beam, aber noch ein Newcomer. Nathaniel Rateliff heißt er, "In Memory Of Loss" sein Debütalbum, das vor einer Woche in Deutschland erschienen ist. Rateliff stammt aus Missouri, lebt aber inzwischen in Denver.

Die Folksongs von Rateliff sind am ehesten mit denen von Bon Iver zu vergleichen. Sie klingen in ihrer Schlichtheit wie im heimischen Wohnzimmer aufgenommen, Deck hat sie später im Studio veredelt, indem er die wunderschönen Chöre hinzugefügt hat, die Rateliff selber singt und die in nahezu jedem der insgesamt 16 Songs vorkommen. In den Texten beschäftigt sich Rateliff mit Liebe und Verlust, die Grundstimmung ist melancholisch, e-Moll ist ein Akkord, der vielen Songs zugrunde liegt. Lustige Momente gibt es jedoch auch auf "In Memory Of Loss": "You Should've Seen The Other Guy" ist ein Lied über eine Kneipenschlägerei mit eindeutigem Ausgang. Auch bei Rateliff gibt es Verweise auf die 60er-Jahre. "Happy Just To Be" erinnert an die Beatles, Bob Dylan nennt er selbst als wichtigen Einfluss.

Sein Hamburg-Debüt gibt Rateliff in der Prinzenbar. Der kleine, aber feine Klub könnte der Startpunkt zu einer Karriere sein, die ihm in Zukunft Auftritte in größeren Hallen bescheren dürfte. Sam Beam hat es vorgemacht.

Iron & Wine Mo 7.2., 21.00, Fabrik (S Altona), Barnerstraße 36, Vvk. 22,-; www.ironandwine.com

Nathaniel Rateliff Fr 4.2., 21.00, Prinzenbar (U St. Pauli), Kastanienallee 20, Vorverkauf 13,20; www.nathanielrateliff.com