Debütantin Peggy Mädler aus Berlin und andere Autoren lesen bei der langen Nacht der jungen Literatur und Musik im Uebel und Gefährlich.

Uebel & Gefährlich. Gut, dass es die Ham.Lit auch dieses Jahr gibt, vor einem Jahr war "die lange Nacht der jungen Literatur und Musik" ein schöner Erfolg. Bei der Premiere zeigte sich die Kulturbehörde noch spendabel und unterstützte das Vorhaben finanziell. Es konnten also durchaus namhafte Autoren wie Clemens Meyer und Tilman Rammstedt gewonnen werden. Diese sollten, so die Idee der Macher, Menschen für die Literatur gewinnen, die sonst eher davon ausgehen, dass sie keine lohnenswerte Angelegenheit ist. Die Lesungen für das Allerletzte halten, das in eine kurzweilige Abendplanung einbezogen werden sollte. Bei der zweiten Ham.Lit morgen in den im Bunker an der Feldstraße beheimateten Klubs Uebel & Gefährlich und Terrace Hill fehlen größere Namen.

Das schadet der Veranstaltung nicht: Wer sich im Schnelldurchlauf ein Bild von der zeitgenössischen deutschen Literatur machen will, der ist bei der Ham.Lit weiter gut aufgehoben und entgeht immer noch der Falle aller Lesungen: gelangweilt zu werden. Das ist schlechterdings nicht möglich, wenn jeder nur eine halbe Stunde Einblick in sein Werk gibt. Und selbstverständlich sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass nichts zu der Vermutung Anlass gibt, man könnte es bei der Lektüreliste mit einer Schnarch-Anleitung zu tun haben. Gäste sind: Mariana Leky, Markus Berges, Thomas Pletzinger, Katrin Seddig, Ron Winkler, Lars Henken, Peggy Mädler, Jochen Schmidt, Alexander Gumz, Hannes Köhler, Felicia Zeller, Jennifer Heinrich, Andre Rudolph, Svenja Leiber, Marcel Maas & Philipp Brinker. Musik machen Nils Koppruch (mit seinem geschätzt 76. Auftritt in Hamburg in den vergangenen Monaten) und eine Band mit dem schönen Namen Nobelpenner.

Berühmt wird man als Autor üblicherweise übrigens nicht mit dem ersten Werk, das der Leserschaft zum Gebrauch gereicht wird, und trotzdem ist ein literarisches Debüt etwas Besonderes. Schließlich kann es eine literarische Karriere erwecken - wenn die Gemeinde der Lesenden Gefallen findet. Bei der Ham.Lit lesen Alexander Gumz, Hannes Köhler und Peggy Mädler aus ihren Debüts, die dieser Tage veröffentlicht werden. Es herrscht also der Geist im Bunker, der jedem ersten Mal innewohnt. Um den Geist der Erinnerung geht es in Peggy Mädlers "Legende vom Glück des Menschen" (Galiani Verlag), die 1974 in Dresden geborene Dramaturgin und Regisseurin outet sich in ihrem ersten Buch als erinnerungssüchtige Biografin.

Sie erzählt die Geschichte ihrer Großeltern und Eltern, vom Krieg also und dem Leben in der DDR. Auslöser für das Nachdenken über die Altvorderen und, grundsätzlicher, über das Vergehen der Zeit, ist der Fund eines Buchs im Regal: "Vom Glück des Menschen" heißt er, ein Propagandaband, der dem Großvater überreicht wurde: als Dank für seine langjährige Mitarbeit im volkseigenen Einzelhandel. Erzählt wird vor allem die Legende vom Glück sozialistischer Lebensweise. Papa Kommunismus ist der Beste!

Aber ums Aufräumen mit verlogenen Unrechtsstaaten und widersprüchlichen Erinnerungen geht es Peggy Mädler nicht, sie erzählt viel lieber vom Alltagsleben, wie es sich für die Vorfahren darstellte. Wir lernen etwas über die Kälte, die in der Ehe der Großeltern herrschte, die Schwierigkeit des Neubeginns nach dem Krieg. Die Lebensbeschreibungen gelingen Peggy Mädler allesamt, zusammengehalten werden sie von freilich manchmal etwas pathetisch geratenen Reflexionen. Wo Uwe Johnson in seinen monumentalen "Jahrestagen" bündig von den "Tricks der Erinnerung" sprach, die einem das Wünschenswerte vorgaukeln, zeichnet Mädler ein Bild: "Das Vergessen und das Erinnern als zwei Schachspieler, beide etwas kauzig vielleicht, die sich gegenseitig provozieren, Spielzüge weit im Voraus planen, die Schliche des anderen misstrauisch beäugen".

Das ist sensibel gedacht, und manch andere hübsche Formulierung findet Mädler außerdem ("Ich bin mir nicht sicher, ob man von einem Tag, der vergangen ist, noch etwas anderes wissen kann - als eine Geschichte"); trotzdem wirkt ihr Debüt an der ein oder anderen Stelle zu gedankenschwer. Aber das ist leicht gesagt. Erinnerungen lassen sich wohl eher nicht auf eine wünschenswerte Form bringen.

Ham.Lit Die lange Nacht der jungen Literatur, Do, 3.2., 19.30, Uebel & Gefährlich (U Feldstraße), Feldstraße 66. Karten 12,- im Vvk. www.hamlit.de