Sandra Strunz' Inszenierung “Falling Man“ enttäuscht

Hamburg. Die neu verglaste Front im Thalia in der Gaußstraße leuchtet einladend. Der Umbau des großzügig gestalteten Foyers, die erhöhte Zuschauertribüne und Dachkonstruktion waren rechtzeitig zu Beginn der Lessingtage und der Uraufführung von "Falling Man" fertig geworden.

Drinnen auf der Bühne herrschen Angst, Schock und Tod. Denn Sandra Strunz' vorwiegend illustrativ bleibendes Erzähltheater nach Don DeLillos Roman handelt von der äußeren und inneren Zerstörung, die der Terrorangriff auf die Zwillingstürme 2001 angerichtet hat. Der Widerspruch zwischen der frischen Hauspolitur und dem gespielten Gefühlschaos wird zum eigentlichen Irritationsmoment des Abends: Was immer passiert, Menschen versuchen nach überstandener Katastrophe weiterzuleben, als ob nichts geschehen wäre. Was bliebe ihnen sonst übrig?

Keith (Sebastian Rudolph), ein junger Mann aus New York, ist rechtzeitig aus dem World Trade Center geflohen, doch natürlich ist er traumatisiert, immer wieder stürzt die Erinnerung in sein Leben, im Bühnenbild hat die Regisseurin deshalb Löcher gelassen - "Gedächtnisluken" im finsteren Kellerraum des Vergessens, in jedem lehnt eine Leiter. Menchen und Dinge fallen auf die Bühne, Keith ringt um seine Identität und mit den Emotionen, nicht ohne dabei viel Asche und Staub aufzuwirbeln. Auf seiner Reise durch das Inferno des Geschehens wird Keith von dem umgekommenen Freund Rumsay (Daniel Lommatzsch) als blasser Schatten begleitet. Das bringt - wie auch die Kabarett-Einlage der Pokerrunde - einige komisch-spielerische Distanz in den zähen Erzählfluss der zwei pausenlosen Stunden.

Rudolph erspart Keith jeglichen Betroffenheitsgestus. Er zeichnet die Studie eines jäh aus seiner Welt gefallenen Mannes zwischen Lähmung, Staunen, Schuldbewusstsein und aufflammender Wut. Auf seiner Suche nach dem verlorenen Ich begegnet er der Ex-Frau Lianne (Cathérine Seifert) und Birte Schnöinks verschreckter Florence, die im innigen Einverständnis mit ihm sein Schicksal teilt.

Sandra Strunz hat zwar für ihre Roman-Nacherzählung eine szenische Form gefunden, bleibt aber den inhaltlichen Fokus und die eigene Perspektive auf die Problematik schuldig.

Falling Man 28.1., 15. und 16.2., 20.00, Thalia in der Gaußstraße 190, Karten: T. 32 81 44 44