Die israelische Sopranistin Chen Reiss eröffnet die Liederabend-Reihe der Hamburger Symphoniker. Ein Abend voller Licht und Wärme.

Hamburg. Das höchste der Gefühle erleben viele Fans von Orchestermusik, wenn es so klingt, als würde die Oboe oder die Klarinette oder das Violoncello singen, wenn also aus etwas so Dinglichem wie Holz und Metall eine scheinbar menschliche Seele ihre Stimme erhebt. Als sei jedes Instrument nur ein Ersatz für das eigentliche: die Vox humana. Die Liebe zum menschlichen Gesang treibt offenbar auch manches Orchester um, das seinen Dienst nicht im Graben vor der Opernbühne versieht. Die Hamburger Symphoniker haben die ihre nun insofern öffentlich gemacht, als sie eine neue Reihe unter minimaler Mitwirkung eigenen Personals ins Leben gerufen haben: den guten, alten Liederabend. Am Sonntag fand die gelungene Premiere im Kleinen Saal der Laeiszhalle statt. Allzu viele Sessel aber blieben leer.

Die israelische Sopranistin Chen Reiss, Einspringerin für die erkrankte Anna Prohaska, hatte den Pianisten Alexander Schmalcz, der die Reihe auch kuratiert, erst am Freitag kennengelernt. Doch wie gut die beiden miteinander harmonierten, wurde schon in den ersten Liedern aus Robert Schumanns "Myrthen"-Zyklus deutlich.

Chen Reiss sang wohltuend sicher in der Intonation, gewitzt und mit hoher Textverständlichkeit, und Schmalcz hat die vom großen Gerald Moore keineswegs rhetorisch gemeinte und längst zum geflügelten Wort allen Klavierbegleitertums avancierte Frage "Bin ich zu laut?" für sich längst eindeutig beantwortet. Er war nie zu laut, sein Spiel war ein diskretes Murmeln in vielen Nuancen. Auch im Gestalterischen und im Rhythmus fanden die beiden Künstler mühelos zueinander. Allenfalls die manchmal überdeutlichen Schlusskonsonanten standen dem Eindruck der Natürlichkeit der Darbietung von Chen Reiss noch im Weg. Im Verlauf des Abends wuchsen jedoch Unmittelbarkeit und Intimität, und ihr zu einigem Gleißen fähiger Sopran strahlte bald nicht mehr nur Helligkeit, sondern auch Wärme ab.

In posthumer Gender-Gerechtigkeit hatte Reiss neben Liedern von Robert Schumann und Gustav Mahler auch Schöpfungen von deren Frauen Clara und Alma aufs Programm gesetzt, wobei Claras "Liebst du um Schönheit" in Chen Reiss eine besonders engagierte Anwältin fand. Zur Liederauswahl von Louis Spohr und Franz Schubert steuerte der Klarinettist Elmar Hönig innige Zwischentöne bei.

Zweiter Liederabend: "Leicht muss man sein". Dame Felicity Lott, Jeffrey Tate und Mitglieder der Hamburger Symphoniker: Do 27.1., 19.30, Laeiszhalle