Um die richtige Ernährung und ökologische Landwirtschaft drehen sich die Doku “Good Food Bad Food“ und Karen Duves Buch “Anständig essen“.

Hamburg. Die Missstände unserer Ernährung liegen auf dem Tisch - seit Jonathan Safran Foers Bestseller "Tiere essen" ist es schwer geworden, diese Tatsache zu verdrängen. Nun suchen gleich zwei künstlerische Annäherungen nach Auswegen. In ihrer sehenswerten Dokumentation "Good Food Bad Food - Anleitung für eine bessere Landwirtschaft", die diese Woche ins Kino kommt, entzaubert die französische Regisseurin Coline Serreau den Mythos von der gesunden industriellen Ernährung.

Sie führt eine Politik vor, die die Gesundheit der Böden und der Menschen zynisch der Profitgier der Industrie unterwirft, und sie tut dies mit starken Bildern: In Antoniets Semen Swiridonowitschs traditionell bewirtschaftetem Boden in der Ukraine wimmelt es von Mikroorganismen. Die Ernte gedeiht üppig. Direkt nebenan liegt ein mit Hybridsamen bewirtschaftetes Feld voll kümmerlicher Pflanzen auf Boden hart wie Stein. Ihre Thesen untermauert eine Armada von Intellektuellen und ökologischen Landwirten rund um den Globus. Serreau traf Bauern der Landlosenbewegung in Brasilien, die den biologisch verödeten Boden von Großgrundbesitzern illegal bewirten und "reparieren". Sie war zu Besuch bei der Trägerin des Alternativen Nobelpreises, Vendana Shiva, die in Indien für den Erhalt traditionellen Saatgutes und gegen das Machtstreben globaler Konzerne kämpft. Denn die treiben mit nicht reproduzierfähigem Samen die unabhängigen Bauern in den Ruin. Das sich einst kostenlos erneuernde System der Landwirtschaft haben sie in eine Geldmaschine verwandelt. Heute ist den Bauern Europas ein Katalog mit 98 Prozent Hybridsamen, also auf höheren Ertrag gezüchteten Samen, vorgeschrieben, die ohne Pestizide nicht gedeihen und im Anschluss mit minderer Qualität nachwachsen. Die Bauern müssen also immer neues Saatgut erwerben. Kann das Kino die Welt verändern? "Das können nur die Menschen, und das geht nur von unten", sagt Serreau.

Was kann der Einzelne tun? Diese Frage trieb auch Schriftstellerin Karen Duve ("Taxi") um, die ihren Hof in Brandenburg mit einem Pferd, einem Esel, einem Maultier, zwei Katern und Hühnern teilt. Eines Tages erwarb sie eine "Hähnchen-Grillpfanne" für knapp drei Euro und es meldete sich "an der Peripherie ihres Bewusstseins" das schlechte Gewissen. Um ein System, das Tiere als Produktionsmaschinen für billige Lebensmittel betrachtet, nicht zu bedienen, wagte sie ein Selbstexperiment.

Die einstige Fertiggericht-Anhängerin ernährte sich jeweils zwei Monate mit Bio-Lebensmitteln, zwei Monate fleischlos, zwei Monate vegan, also ganz ohne tierische Produkte, und zwei Monate frutarisch, also nur von allem, was die Pflanze nicht zum Überleben braucht. Heraus kam das lesenswerte, literarisch angehauchte Sachbuch "Anständig essen. Ein Selbstversuch".

Hintergründig und mit der für sie typischen Lakonie beschreibt Duve, wie sie der Genuss der Bio-Cola anwidert. Irgendwann dämmert ihr, dass auch Bio-Schweine "nicht totgestreichelt" werden. Sie bricht in eine Legehennenfarm ein ("Manchmal muss man das Richtige tun. Auch wenn man schlechte Nerven hat und die deutsche Gesetzgebung es für falsch hält"), sieht, wie sich die Tiere in der Kleingruppenhaltung die Eingeweide aus dem Bauch ziehen. Das fleischlose Dasein gelingt Duve mühelos, schwieriger ist es mit dem veganen. Auf dem Kopfkissen mit Kunststofffüllung liegt es sich schlecht und der Plastiksattel von Maultier Bonzo ist auch unbequem. Das vegane Katzenfutter verspeist der Garten-Igel. "Katzen würden Mäuse kaufen."

Es ist der selbstironische, gelegentlich aufrichtig verzweifelte Ton, der das Buch überdies zu einem Gewinn macht. Die geläuterte Autorin verordnet sich am Ende eine gemäßigte Teilzeitethik. Und das notorisch schlechte Gewissen des post-hedonistischen Bürgers, der nachhaltig leben will, atmet auf. Denn natürlich könnte man immer noch ein bisschen anständiger leben.

"Good Food Bad Food" , ab 20.1. im Kino. Die heutige Lesung mit Karen Duve im Literaturhaus ist bereits ausverkauft.

Karen Duve: "Anständig essen. Ein Selbstversuch", Galiani Berlin, 335 Seiten, 19,95 Euro.