Worüber lachen die drei Weltreligionen? Ein Spaziergang durch New York bringt erstaunliche Antworten: “Aber klar hat Gott Humor.“

New York. "Religion und Humor", sagte ich zu meinem Freund Nissen, als wir miteinander in der Laubhütte saßen. "Gehen die beiden zusammen?" Wir befanden uns im Stadtteil Crown Heights in Brooklyn: Hinter uns rauschten die Bäume am Eastern Parkway, einer Prachtstraße, die quer durch diesen Teil von New York führt. Zwischendurch jagte mit heulenden Sirenen ein Feuerwehrauto vorbei.

"Religion und Humor", antwortete mein Freund Nissen und strich sich durch den Bart. "Also, ich bin dafür!" Ich sollte erwähnen, dass Nissen - technisch gesprochen - Rabbiner ist, wenn er diesen Beruf auch nicht ausübt. Er trug also die Kluft eines ultraorthodoxen Juden: schwarzes Samtkäppchen auf dem Kopf, weißes Hemd, und unter der Hose sahen die Schaufäden seines Gebetmantels hervor, den er wie ein Unterhemd direkt am Leib trug. "Ich glaube, Religion und Humor sind insofern vergleichbar, als beide die gewöhnliche Vernunft übersteigen. Jedenfalls einen Augenblick lang. Dort treffen die beiden sich."

"Mir kommen manche Bibelstellen, aber auch manche Passagen im Talmud sehr komisch vor", sagte ich. "Liegt das daran, dass ich ungebildet bin und zu wenig weiß - oder sind diese Texte wirklich witzig?"

"Glaube mir: Sie sind witzig", sagte mein Freund Nissen und grinste von einem Ohr zum anderen.

Nehmen wir die Geschichte vom Streit um den Ofen von Achnai. Dabei ging es darum, ob jener Ofen rituell unrein werden könne. Die Mehrheit der Schriftgelehrten sagte: Ja. Rabbi Elieser hielt dagegen: Nein. "Wenn ich recht habe", sagte er, "dann soll dieser Johannisbrotbaum seine Wurzeln aus der Erde ziehen und 100 Ellen von seinem Platz weglaufen." Der Johannisbrotbaum zog seine Wurzeln aus der Erde und rannte. Darauf die Mehrheit der Schriftgelehrten, völlig ungerührt: "Wunder sind kein Beweis." Am Ende sprach eine Stimme vom Himmel: "Was habt ihr eigentlich gegen Rabbi Elieser?" Da stand Rabbi Jehoschua von der Mehrheitsfraktion auf und antwortete: "Die Thora ist nicht im Himmel." Rabbi Jirmija erklärte das: "Die Thora wurde uns am Sinai gegeben. Wir achten also auf keine himmlische Stimme mehr, denn schließlich hast du, Gott, in der Thora geschrieben: Nach der Mehrheit ist zu entscheiden." Kurz: Du da oben hältst dich aus unserer Diskussion verdammt noch mal raus!

Na schön, das sind die Juden, die sind bekanntlich Witzweltmeister, weil sie keine andere Wahl haben. Aber wie sieht es mit dem Humor bei den Muslimen aus? Stürzen die sich nicht mit Fanatikergebrüll auf jeden, der es wagt, sich über ihren Propheten lustig zu machen? Ein paar Tage später machte ich einen Abstecher zu einer Sufi-Moschee im Stadtteil Tribeca in Manhattan. Sie liegt in einer Nebenstraße zwischen lauten Bars und Kneipen: eine unauffällige Rauchglastür, die ich sanft aufdrückte, schon war ich drin. Vielleicht 30 Männer und Frauen aller Altersstufen und Hautfarben saßen miteinander auf großen Teppichen auf dem Boden. Manche der Frauen trugen Kopftücher, Schleier sah ich keine. Dem Gast wurden Tee mit Kardamom und Datteln gereicht.

Vor dem "Zikhr" - der mystischen Sufi-Zeremonie mit Meditation und Tanz, die Stunden dauern kann - gelang es mir, einen Schüler der Scheicha am Ärmel beiseitezuziehen. "Hat Gott Humor?", fragte ich den Schüler. "Gibt es komische Stellen im Koran?"

"Aber klar hat Gott Humor", sagte der Sufi, ein hochgewachsener bärtiger Mann mit Olivenhaut und einer weißen Kappe auf dem Kopf, der sich mir als Mudschade vorstellte. "Hätte er sonst ausgerechnet mich geschaffen? Aber komische Stellen im heiligen Koran? Hm." Wie es in seiner speziellen Tradition damit aussähe, also bei den Sufis? "Nun, es gibt Rumi", sagte Mudschade. Klar! Dschalal ad-Din Muhammad Rumi war ein persischer Dichter und Mystiker, der im 13. Jahrhundert lebte. Sein Buch "Mathnewi" enthält komische Anekdoten, die übrigens manchmal derbe sexuell sind. "Und es gibt Mullah Nasruddin!", fügte Mudschade hinzu. Sein Gesicht hellte sich auf. "Mullah Nasruddin hat seine Lehre eigentlich nur in Form von Witzen verbreitet."

Dann erzählte er mir seine Lieblings-Nasruddin-Geschichte. Der Mullah ging auf die Pilgerfahrt nach Mekka; auf dem Weg passierte er Medina und kam dort an der Hauptmoschee vorbei. Ein Tourist kam auf ihn zu und fragte: "Können Sie mir etwas über diese Moschee erzählen? Sie sieht sehr alt und sehr wichtig aus." Nasruddin, der keine Ahnung hatte, das aber nicht zugeben wollte, holte sofort zu einer weitschweifigen Erklärung aus: "Diese Moschee", dozierte er, "wurde von Alexander dem Großen als Dank für seine Eroberung Arabiens errichtet." Der Tourist war tief beeindruckt, aber dann stiegen Zweifel in ihm auf: "War Alexander der Große nicht ein Grieche oder so was?", fragte er. "Jedenfalls war er kein Muslim." Nasruddin antwortete: "Ich sehe, dass Sie ein gebildeter Mann sind. Alexander der Große war von seinem eigenen Sieg dermaßen überwältigt, dass er sofort zum Islam übertrat." Der Tourist kratzte sich hinter dem Ohr. "Aber zur Zeit von Alexander gab es doch noch gar keinen Islam?"

Nasruddin sagte: "Es ist schön, mit einem Menschen zu reden, der sich ein bisschen auskennt. Sehen Sie, die Gnade, die Allah ihm erwiesen hatte, beeindruckte Alexander den Großen so sehr, dass er sofort nach seinem Sieg eine neue Religion begründete: den Islam." Der Tourist betrachtete die Moschee mit ganz anderen Augen, dann dämmerte ihm ein kleines Problem: "Ich dachte, der Gründer des Islam hieß Mohammed. Das habe ich neulich wieder irgendwo gelesen." "Darauf", antwortete Mullah Nasruddin, "wollte ich gerade zu sprechen kommen. Nach seinem Übertritt zum Islam gab sich Alexander der Große, um Allah besser dienen zu können, den Namen Mohammed." Der Tourist schwieg, bis ihm plötzlich einfiel: "Aber lebte Alexander der Große nicht lange vor Mohammed?" "Ihr Alexander der Große vielleicht", versetzte Mullah Nasruddin würdevoll. "Der Alexander der Große, von dem ich spreche, hieß Mohammed."

Am Ende legte ich meine Frage über Humor und Religion noch dem Jesuitenpater Jim Martin vor. Er erwies sich als besonders kompetenter Gesprächspartner: Pater Martin sitzt gerade an einem Buch just zu diesem Thema. "Das Problem ist, dass wir manchmal den Humor im Neuen Testament nicht mehr erkennen", erklärte er mir und verwies mich an eine Stelle aus dem Johannesevangelium: "Und Nathanael sprach zu ihm: Was soll denn von Nazareth Gutes kommen? ... Jesus sah Nathanael zu sich kommen und spricht von ihm: Siehe, ein Israeliter, in welchem kein Falsch ist." (1. Joh. 47-48) Bitte, was soll daran witzig sein? Jim Martin erklärte es mir: "Also, da spaziert Jesus unter Palmen daher, und man erzählt Nathanael: Dieser Typ da ist der Messias. Er stammt übrigens aus Nazareth. Setzen Sie einen anderen Ortsnamen ein, sagen Sie meinetwegen Pöseldorf oder Greenwich Village.

Und Nathanael antwortet: Was, aus Pöseldorf? Ausgerechnet? Von dort ist doch noch nie was Gutes gekommen. Und Jesus hört das und lacht und sagt: Dieser Sohn Israels lügt offenbar nie, also, den will ich sofort als Jünger." Ein Mann, der ständig Gleichnisse und Parabeln aus dem Ärmel schüttelte, muss sowieso lustig gewesen sein. "Dasselbe gilt übrigens für alle unsere Heiligen. Sankt Lorenz wurde von den Römern am Spieß über einem Kohlenfeuer zu Tode geröstet. In der Mitte seines Martyriums sagte er fröhlich: Bitte wenden, meine Unterseite ist gar."