Heute wäre Frank Zappa 70 Jahre alt geworden. Er hinterließ ein riesiges Oeuvre. Welche Musik die Legende wohl heute spielen würde?

Der Begriff des musikalischen "Undergrounds" ist ohne Frank Zappa undenkbar. Er war der Erste, der Rockmusik als bitterböse Satire einsetzte, mit dem Wah-Wah-Pedal hat er als Gitarrist Klangeffekte erschaffen, die später Tausende Musiker nachahmten.

Der heute vor 70 Jahren geborene Künstler wurde zu einem Genie, vor dem sich bis heute alte und junge Musiker verneigen, dem nun auch eine so umfassende Werkschau huldigt, wie es sie über Zappa noch nicht gegeben hat. Es ist das Buch "Grand Zappa", ein Bildband, der nicht nur die insgesamt 69 Alben des Künstlers enthält, sondern auch 850 Sondereditionen. Zappa machte ja nicht einfach nur eine Platte. Er machte eine für jedes Land, Frankreich, die USA, Deutschland, Großbritannien, immer mit unterschiedlichen Songfolgen, die in "Grand Zappa" einzeln kommentiert werden.

Es ist ein riesiges Oeuvre, das Zappa hinterlassen hat. Wäre es nach Vater Francis gegangen, wäre es so weit gar nicht gekommen. Sein Sohn, hatte Papa Zappa entschieden, sollte Chemiker werden. Frank ist schließlich mathematisch begabt und geschickt im Umgang mit Chemikalien.

Früh legt Zappa mit dem Experimentieren los. Als Kind stellt er sein eigenes Schwarzpulver her und freut sich, wenn es ordentlich "Bumm!" macht. Doch die wissenschaftliche Experimentierfreude lässt schnell nach, als Zappa als 13-Jähriger die Musik entdeckt und auf einen Magazinartikel stößt, in dem die Rede von der "schlimmsten Musik der Welt" ist. Gemeint ist damit das Werk von Edgard Varèse (1883-1965). Schnell besorgt sich der Teenager eine Schallplatte mit Varèses Kompositionen, und die bizarre Klangvielfalt des französischen Avantgardisten verändert sein Leben. Und das sehr zum Leidwesen seiner Umwelt: Für seine Freunde hat er eine Schraube locker, seine Mutter verbietet ihm, die Platte zu Hause abzuspielen. "Varèses Musik machte sie ganz neurotisch, wenn sie bügelte", sagt Zappa später.

Während seine Mitschüler zu Elvis Presley twisten, sucht Zappa nach Gleichgesinnten - also einer Bande von Musikern, die genauso durchgeknallt sind wie er selber. Er findet sie in dem Bluesfanatiker Don Van Vliet und dem Gitarristen Ray Collins, die Ende der 50er-Jahre eine Band nach der anderen gründen, jetzt schlägt ihre große Stunde. "Freak Out!" heißt 1966 das Debütalbum der neuen Band Mothers Of Invention. Es ist ein krudes Werk zwischen Free Jazz, Psychedelia, Doo-Wop-Pop und allerlei Geräuschen. Die Texte sind politisch, Zappa kommentiert in "Trouble Every Day" die Rassenkrawalle in Los Angeles, er macht sich in "Hungry Freaks, Daddy" über Amerikas Konsumgesellschaft lustig, zudem parodiert er den sentimentalen Rock 'n' Roll der frühen 60er-Jahre in kitschigen Liebesschnulzen wie "Go Cry On Somebody Else's Shoulder".

"Freak Out!" ist der Beginn von Zappas Feldzug gegen die Konventionen und die Verlogenheit der amerikanischen Gesellschaft und des "American way of life". Viele Kritiker können damals mit der musikalischen Provokation wenig anfangen - die "L.A. Times" schrieb, "Freak Out!" könnte zur größten Stimulans für Kopfschmerztabletten seit Einführung der Einkommenssteuer werden" - doch die Zeit ist reif für den Künstler mit dem dichten Schnauzbart und der wilden schwarzen Mähne.

Zappa wird durch sein Talent zur Selbstdarstellung und sein markantes Aussehen zur Galionsfigur der Hippie-Bewegung, wenngleich er mit der Attitüde der Blumenkinder wenig am Hut hat. In Interviews geißelt er deren "Love and Peace"-Philosophie immer wieder als Heuchelei. Ein besonderer Dorn im Auge ist dem Kettenraucher der Drogenkonsum der Hippies. Immer wieder feuert er Musiker aus seiner Band, wenn er sie mit LSD oder Marihuana erwischt hat. Im gängigen Dreigestirn Sex & Drugs & Rock 'n' Roll konzentriert sich Zappa eher auf Sex und Obszönitäten. Der Kulturrevolutionär will hier die Grenzen so weit ausdehnen wie nur möglich. Das zweite Album der Mothers of Invention, "Absolutely Free", dreht sich fast ausschließlich um Sex. Zappa geht so weit, unter anderem über Sex mit einem 13-jährigen Mädchen zu singen. Live spielt er den Song "Brown Shoes Don't Make It" allerdings nur einige Male. Er verteidigt diese Darbietungen als Grotesken, die den "Liebesscheiß" der Hippies konterkarieren.

Frank Zappa hat auch kein Problem damit, sich zum Affen zu machen, um seine Musik an den Mann zu bringen. 1967 lässt er sich mit heruntergelassener Hose auf einer Kloschüssel fotografieren, ein Bild, das später als Poster millionenfach in Teenagerzimmern hängt. Für ungewöhnliches Dekor hat er ohnehin eine Schwäche, schon als Kind ist sein Lieblingsspielzeug eine Gasmaske. Seine Familie wohnt zu dieser Zeit in einem Armee-Zentrum, in dem mit Senfgas experimentiert wird, jeder hat deshalb eine Schutzmaske im Schrank, und der kleine Frank turnt damit durch die elterliche Wohnung.

Nur zwei Jahre nach dem Erscheinen von "Freak Out!" attestiert das Magazin "Newsweek" dem bärtigen Visionär, neben John Lennon die kreativste Gestalt populärer Kunst zu sein. Der Workaholic veröffentlicht zu Lebzeiten Dutzende von Alben, er tourt durch die Welt. Erst in seinen letzten Lebensjahren hat er genug. Nachdem bei ihm 1990 Prostatakrebs diagnostiziert wird, schreibt Zappa ausschließlich seriöse Musik im Geiste seiner Idole Varèse, Anton Webern und Igor Strawinsky.

Höhepunkt dieses Schaffens ist die 90-minütige Komposition "Yellow Shark", die er mit dem renommierten deutschen Kammerorchester Ensemble Modern aufnimmt. Kurz vor seinem frühen Tod am 4. Dezember 1993 macht es noch mal ordentlich "Bumm!" in der Musikwelt. Welche Musik er wohl heute spielen würde? Sein früherer Bandkollege Kim Fowley gibt die Antwort: "Irgendwas mit Lady Gaga."