Sie haben beruflich alles erreicht. Was fühlen Menschen in der Mitte des Lebens? Tom Tykwers Film spiegelt die Welt von kinderlosen 40-Jährigen.

Es gibt schönere Alter als 40 plus. Zum 40. kriegt man Bücher geschenkt wie "So bleiben Sie attraktiv für Ihren Arbeitgeber" (Männer). Oder "Zone 40: Frauen werden nicht älter, sondern gelassener". Behauptungen, die erst einmal jemand beweisen müsste. Und trotzdem loggt man sich dann bei wirsind40.de ein.

Im Grunde ist diese zur Schau getragene Midlife-Crisis-Erwartungshaltung vormodern: Heute darf man in jedem Alter so tun, als könnte man "noch einmal durchstarten" und von vorn beginnen. Aber wir wissen, dass wir mit 40 keine Anfänger mehr sind. Das naive, begeisterte, mutwillige Taraaa-jetzt-komm-Ich! der Zwanziger wäre einfach gelogen.

Die Geschichte der drei Mittvierziger, die Tom Tykwer (selbst 45) in seinem Film "Drei" erzählt, handelt von solchen Aufbrüchen mit eingebauter Bremse. Manche Geschichten stehen und fallen mit ihrem Ort, hier: Berlin, Prenzlauer Berg. Die Hochburg der young urban professionals , der Kulturhopper, der Moderatorinnen und Neon-Redakteure, der Designer von Räumen wie von Stammzellen. Hier leben Leute, die in ihren Altbauwohnungen Platz für die große Bulthaup-Küche oder die Sennheiser-Boxen oder das 3x3-Dschungelpanorama auf Acryl von dem jungen wilden Maler haben und denen trotzdem etwas fehlt. In einem Plattenbau in Berlin Marzahn oder einer Einfamilienhaus-Siedlung in Henstedt-Ulzburg fühlt sich "Mitte 40" natürlich anders an.

Wie Mittvierziger sind, glauben viele zu wissen. Für die Soziologen sind sie die angejahrte Generation Golf, die in und mit Deutschlands beliebtestem VW-Modell in den 80ern noch eine materiell sorgenfreie Jugend erlebt hat und in den 90ern die fetten Jahre der wiedervereinigten Republik. Für Werber sind die Golfer jene erste Kohorte, die mit Musikclips und Madonna auf MTV aufwuchs, die Mode auch für Männer entdeckte und sich ein Aktienkonto zulegte. Die Mittvierziger lernten eine Vielfalt von Produkten, Technik und Chancen kennen, von denen die spätere Generation Praktikum nur noch träumen kann.

In der Liebe sind die Mittvierziger der Golf-Generation angeblich vielfach desillusioniert, weil sie bei ihren 68er-Eltern all die endlosen nächtlichen Beziehungsdiskussionen mitgekriegt haben - am Küchentisch mit Rotwein und Eric Burdons LP "War". Für wie viele das tatsächlich zutrifft, sei dahingestellt. Fakt ist, dass die Golfer den Trend des Geburtenrückgangs fortsetzten und dass der Kinderwunsch bei ihnen sogar weiter zurückgegangen ist, wie Allensbach-Umfragen zeigen.

Singles, freiwillig oder unfreiwillig kinderlose Paare und serieller Partnerwechsel: Diese drei Lebensformen sind bei den Mittvierzigern zu statistischen Konstanten geworden. Da liegen Tykwers Hauptfiguren in "Drei" ganz im Trend - Hanna und Simon als kinderloses Paar ebenso wie Adam als getrennt lebender Single-Vater, der alles flachlegt, was nicht bei "drei" auf den Bäumen ist.

Tykwer theoretisiert nicht groß über das Thema Midlife-Crisis herum, stattdessen bebildert er die Phänomene, die dieses Alter besonders machen. Mit Mitte vierzig hat sein langjähriges Paar Hanna und Simon die aufregendsten Momente nicht im Bett, sondern bei Vernissagen, im Kino oder in der Theaterszene. Mit Mitte vierzig ist "Familie" keine Option mehr. Mit Mitte vierzig kommen die gesundheitlichen Einschläge näher - bei Simon ist es Hodenkrebs.

"Bis dahin hat man von der Geburt weggelebt, und durch eine solche Krankheit bekommt man nun das Gefühl, auf den Tod hinzuleben", sagte Tykwer in einem Interview. "Da entsteht eine Melancholie, die nie mehr von uns weicht."

Diese Melancholie der Lebensmitte ist im Kino schon oft und facettenreich geschildert worden. In Doris Dörries "Erleuchtung garantiert" suchen ein überarbeiteter Einbauküchenhändler und sein genervter Bruder den Sinn des Lebens im Zen-Kloster. Die übergewichtige Kathi kämpft trotz Prekariat um jedes Stückchen Glück ("Die Friseuse"). Männer, die in Beruf und Familie gescheitert sind, entdecken erst in Notgemeinschaften als Stripper oder Synchronschwimmer, dass noch was drin ist ("Ganz oder gar nicht", "Männer im Wasser").

Ein geradezu sympathisches Mittvierziger-Rollenmodell ist Bill Murray in "Lost In Translation". Ein Mann mit den Augen eines resignierten Labradors, der sich fragt: Wo hab ich bloß meine Neugier und meinen Schwung verloren?

Gemeinhin brauchen frustrierte Mittvierziger in Film und Literatur jüngere Helfer, die sie aus dem biografischen Tief zerren und ihnen zeigen, welche Stärken noch in ihnen schlummern. Bei Tykwer ist es eine Dreiecksgeschichte - Hanna und Simon verlieben sich in denselben Mann. Das ist filmisch eine neue Lösung. Vielleicht misslingt sie. Vielleicht endet das Ganze aber auch in einer munteren Alten-WG.