In Oslo findet eine Zeremonie ohne Preisträger statt und wird auch dadurch bewegend

Hamburg/Oslo. Am Ende der feierlichen Zeremonie stand die blaue Urkunde auf einem leeren Stuhl. Und Beifall brandete auf, als säße der Empfänger tatsächlich dort - und nicht in einem chinesischen Gefängnis.

Zum ersten Mal seit mehr als sieben Jahrzehnten in der fast 110-jährigen Geschichte des Friedensnobelpreises konnte die hohe Auszeichnung nicht überreicht werden. Weder der Preisträger, der chinesische Dissident Liu Xiaobo, noch seine Frau Liu Xia oder ein Verwandter waren in Oslo anwesend. Liu Xia wurde ebenso wie rund 200 weitere Personen vom Regime in Peking an der Ausreise gehindert, sie wurde gar unter Hausarrest gestellt.

Liu Xiaobo selber wurde im Dezember 2009 wegen Anstiftung zum Umsturz zu elf Jahren Gefängnis verurteilt und sitzt seitdem in Isolationshaft. Dabei hatte sich der Literaturprofessor mit seinem Einsatz für Menschenrechte im Rahmen der chinesischen Verfassung bewegt. In der "Charta 08" hatten Liu Xiaobo und andere Regimekritiker politische Reformen in China gefordert.

Der Vorsitzende des norwegischen Nobelpreiskomitees, Thorbjörn Jagland, betonte in seiner Laudatio, Liu habe nur seine Bürgerrechte ausgeübt. "Er hat nichts Falsches getan. Er muss freigelassen werden." Jagland verglich Lius Bedeutung für China mit der Nelson Mandelas für Südafrika. Auch China müsse "bereit sein, sich kritisieren zu lassen" und Kritik als Chance für Verbesserungen zu sehen.

Die Medaille mit dem Konterfei des Stifters Alfred Nobel, die Verleihungsurkunde und das Preisgeld in Höhe von zehn Millionen schwedischer Kronen - umgerechnet rund 1,1 Millionen Euro - sollen in Oslo aufbewahrt werden, bis Liu sie persönlich entgegennehmen kann. Auf Wunsch Liu Xiaobos ist der Preis denjenigen gewidmet, die bei der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung am 4. Juni 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking ihr Leben verloren.

Es ist das zweite Mal, dass ein Preisträger nicht nach Oslo reisen kann, weil er in Haft sitzt. 1936 erhielt der deutsche Pazifist Carl von Ossietzky den Friedensnobelpreis. Er starb zwei Jahre später in einem KZ.

Vor dem norwegischen Königspaar - Harald V. und Königin Sonja - und einem sehr prominent besetzten Publikum im Rathaus von Oslo verlas die norwegische Schauspielerin Liv Ullmann jene persönliche Erklärung, die Liu Xiaobo am 23. Dezember 2009, zwei Tage vor seiner Verurteilung, in seinem Prozess abgegeben hatte. Die Zeremonie wurde abgeschlossen durch den Auftritt eines Kinderchors, der Volkslieder sang. US-Präsident Barack Obama würdigte Liu als einen Menschen, der für "universelle Werte" stehe. Er habe den Friedensnobelpreis "viel mehr verdient als ich", sagte Obama, der die Auszeichnung im Vorjahr erhalten hatte. Der US-Präsident forderte ebenso wie die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und die Bundesregierung in Berlin die Freilassung Lius.