Es ist Winter, es ist kalt, es wird besinnlich. Die Radiosender tun das ihre dazu. George Michael darf wieder von “Last Christmas“ singen.

Hamburg. Dass ausgerechnet ein Song (der amerikanischen Band Gossip) mit dem Titel "Heavy Cross" das sattsam bekannte "Last Christmas" als "beste internationale Single aller Zeiten" abgelöst hat, ist natürlich konsequent. Zu den christlichen Implikationen dieses Weihnachtsschlagers kommt die Redewendung vom schweren Kreuz, das einer zu tragen hat.

Und das gilt eben für alle Feiertagsmuffel und Verächter der Scheinheiligen Nacht, die seit 25 Jahren immer wieder den in ihren Ohren grenzdebilen Song von Wham! hören müssen. "Last Christmas, I gave you my heart/But the very next day, You gave it away/This year, to save me from tears/I'll give it to someone special", singt da ein Schönling mit Fönfrisur und Liebeskummer.

"Last Christmas", das ist als sprachliche Wendung, die eine zeitliche Bezugnahme ausdrückt, eine Selbstvergewisserung im kollektiven Gedächtnis der westlichen Kulturgemeinschaft: Hier geht's um die Verinnerlichung des Moments, der doch trotzdem immer wiederkehrt. Und deswegen muss man jedes Jahr, sobald es Glühwein zu süffeln und kalte Winterabende durchzustehen gilt, die akustische Konditionierung auf besinnliche, sehnsüchtige Weihnachten ertragen.

"Last Christmas" ist dabei von allen im Radio gespielten Liedern das erfolgreichste, es ist der moderne Weihnachtsklassiker. Der plätschernde Synthesizersong mit dem einprägsamen Refrain ist gerade wieder in die deutschen Single-Charts eingestiegen, das ist kein Kunststück für ihn, den Gassenhauer, der nach Zimt riecht und wie Kerzenlicht flackert, wenn man nur will. Seit 1997 wird "Last Christmas" jedes Jahr in Deutschland wieder veröffentlicht, oft erreicht es die Top Ten.

Man darf sich George Michael wie Will Freeman vorstellen, den Helden des Hornby-Romans "About A Roman": Der Kerl bekommt so viel Tantiemen für einen einst geschriebenen Weihnachtssong, dass er davon locker seinen Unterhalt bestreiten kann (obgleich der bewusstseinserweiternden Stimulanzen wegen Mr. Michael einen ziemlich hohen Posten in seinem Haushalt hat). Der Legende nach wurde Michael, der mit Andrew Ridgeley in den 80er Jahren ein erfolgreiches Popduo bildete, von seiner Plattenfirma gefragt, ob er nicht einen Weihnachtssong schreiben könne. Die Geschichte ist so toll, dass sie auf keinen Fall glaubhaft ist: Michael hatte angeblich ein Stück namens "Last Easter" in petto, das er flugs umdichtete. Niemals! Das wäre ja zu schön und zu entlarvend.

Wie dem auch sei; in den Statistiken der Hitparadenforscher verbrieft ist ein zweiter Platz in den englischen Charts. An Bob Geldofs Live-Aid-Rührstück "Do They Know It's Christmas" kamen Wham! nicht vorbei, weshalb "Last Christmas" der meistverkaufte Song im Vereinigten Königreich ist, der nie Nummer eins war. Es gibt so viele Coverversionen von "Last Christmas", eine von ihnen ist richtig gut. "Weihnachten ist mir doch egal", singt Markus Berges, der Sänger der Kölner Band Erdmöbel. Berges ist so auffällig das Gegenteil von George Michael, allein optisch, es ist eine Freude. Im Video der Erdmöbel-Version sitzt der gute Mann schluffig im Gebrauchtwagen, während im Clip zum Original George Michael (mit furchtbaren Haaren) im schweizerischen Skiort Saas Fee ankommt, dort erwarten ihn genauso schrecklich frisierte Menschen, die winterliche Stimmung verbreiten.

Der Winter, gerade wenn er sehr kalt ist, das sei an dieser Stelle gesagt, ist per se schon mal scheiße. Und leider läuft nur "Last Christmas" in einer Endlosschleife, "Weihnachten ist mir doch egal" aber mitnichten.