Die Tragikomödie “Ein gutes Herz“ ist ein Beweis für die lebendige Filmszene Islands. Ein Kater-Gespräch mit Regisseur Dagur Kari.

Hamburg. Beim Filmfest Hamburg erhielt der isländische Regisseur Dagur Kari, als er seinen Film "Ein gutes Herz" vorstellte, reichlich Applaus - nur die anschließende Begegnung mit alten Freunden machte ihm am nächsten Morgen noch zu schaffen. So kam der 36-Jährige schwer verkatert zum Abendblatt-Interview. Unterschätzen darf man ihn und sein Land deswegen noch lange nicht. In Island leben zwar nur rund 300 000 Menschen, aber die wissen, wie man auf sich aufmerksam macht. So haben sie nicht unwesentlich zur Weltwirtschaftskrise beigetragen, mit ein wenig Vulkanasche mal eben den europäischen Flugverkehr lahmgelegt und produzieren sich in Sachen Kunst. Dagur Kari, der mit dem fulminanten Debüt "Noi Albinoi" auf sich aufmerksam machte, hat jetzt mit der Tragikomödie "Ein gutes Herz" seinen bislang besten Film gedreht. Ein miesepetriger New Yorker Barbesitzer mit Herzproblemen will darin einen jungen Penner zu seinem Nachfolger aufbauen. Bei den Nordischen Filmtagen gewann Kari den Publikumspreis, heute startet sein Film in den Kinos.

Abendblatt:

Dagur ...

Dagur Kari:

Können wir uns vielleicht woanders hinsetzen?

Sicher. Wohin?

Kari:

Dahinten ist es nicht so hell.

Hatten Sie einen anstrengenden Abend?

Kari:

Ja. Ich habe alte Freunde aus Dänemark getroffen.

Da passt ja die Bar als Schauplatz in Ihrem Film. Soll ich leiser reden?

Kari:

Geht schon. Ich schaffe gern einen Mikrokosmos in meinen Filmen. Schon mein Abschlussfilm "Lost Weekend" spielt in einem Hotel, ein Kurzfilm im Saloon und "Noi Albinoi" in einer sehr kleinen Stadt. Ich versuche, mein cinematografisches Universum immer klar zu definieren. Dadurch wird meine Fantasie erst in Schwung gebracht.

Mussten Sie vor diesem Film in sehr vielen Bars lange und hart recherchieren?

Kari:

Ja. Eine gute Bar ist ein magischer Ort. Man kommt aus der Realität und betritt eine andere Welt. Dort gelten andere Gesetze, und manchmal passieren auch merkwürdige Dinge. Außerdem ist eine Bar auch eine Art Theater. Der Wirt ist der Performer und die Tresenhocker sind das Publikum.

Ihre Filmcharaktere liegen meistens einen Tick neben der Spur. Wieso?

Kari:

Man fragt mich das ab und zu, also muss da wohl was dran sein. Ich mache es nicht absichtlich, es geschieht eben.

Wie hat diese Geschichte Sie gefunden?

Kari:

Ich suche zunächst Details und Situationen, die marinieren dann in mir. Der Titel war einer der ersten Bestandteile. Ich wollte erforschen, ob ein schlechter Mensch ein besserer werden kann und andersherum. Das war so eine Art roter Faden für den Film.

Die Schauspieler haben einige starke Sätze. Brian Cox schimpft als Barbesitzer: "Wir sind nicht hier, um die Leute zu bedienen, sondern um sie zu zerstören." War das einer der Sätze, die lange in Ihnen mariniert haben?

Kari:

Drehbuchschreiben ist ein einsamer Prozess. Dabei muss man sich selbst schon irgendwie unterhalten. Deshalb habe ich mir diesen Bastard Jacques ausgedacht, den Brian Cox spielt. Es hat großen Spaß gemacht, seinen Dialog zu schreiben, weil er sich so rüpelhaft benimmt.

In einer Komödie ist das Timing besonders wichtig. Blieb Ihren Schauspielern noch Raum zum Improvisieren?

Kari:

Es war eine Mischung. Der Dialog war größtenteils ganz präzise geschrieben. Das gefiel den Schauspielern auch sehr gut, und sie haben sich daran gehalten. Aber alle Szenen mit den Barbesuchern sind total improvisiert.

Klingt lustig, war wahrscheinlich aber auch nicht immer einfach, oder?

Kari:

Es gab viele Adrenalinschübe. Man muss auch mal erlauben, dass etwas Unerwartetes in den Film kommt.

Welche Vor- und Nachteile muss man berücksichtigen, wenn man in einem so kleinen Land wie Island Filme macht?

Kari:

Es gibt dort eine sehr starke und rohe Kreativität. Die Leute verwirklichen ihre Ideen einfach, allen Widrigkeiten zum Trotz. Auch wenn es angesichts von nur 300 000 Einwohnern sinnlos scheint, ein Sinfonieorchester zu haben, Hunderte Bücher und sechs Filme pro Jahr zu veröffentlichen. Eigentlich dürfte es dafür gar keinen Markt geben, aber Isländer sind sehr aktiv, wenn es darum geht, Kunst zu konsumieren.

Hat die Wirtschaftskrise die Situation für die Filmemacher beeinflusst?

Kari:

Die Filmindustrie war vorher recht gesund. Aber nach der Krise hat die Regierung die Filmförderung um 35 Prozent gekürzt. Damit schafft man nur noch drei oder vier Filme jährlich.

War Ihr Film davon beeinflusst?

Kari:

Ja. Wir hatten ihn zwar schon abgedreht, aber die Postproduktion hat sich dadurch verzögert. Ich glaube, ich lege mich jetzt noch etwas hin.