Der Musiker Smudo spricht über die lange Karriere der Fantastischen 4 und die Probleme im modernen Musikgeschäft.

Hamburg. Einen Star mit Platinplatten im Schrank stellt man sich anders vor. So, wie Smudo da in einem Café in Eimsbüttel sitzt und Capuccino trinkt, wirkt er eher wie ein Uni-Dozent oder Freiberufler aus der Medienbranche. Strubbelige, schüttere Haare und Dreitagebart, blaue Sweatjacke, Jeans und T-Shirt. Die Tasse vor ihm ist fast leer, die Untertasse voll mit verschüttetem Restkaffee. Neben ihm liegen iPhone und Nintendo DS, das Telefon verlangt nach Aufmerksamkeit. "Hi, setz dich. Ich muss nur eben noch zwei E-Mails beantworten, dann können wir anfangen."

Routiniert erledigt er die drahtlose Kommunikation, im direkten Gespräch ist er freundlich, aufgeschlossen, sympathisch. Die Frage nach der Anrede steht im Raum. Immerhin tragen Tour und Album den Titel "Für dich immer noch Fanta Sie" . Er lacht. Noch ist aus Smudo nicht Herr Michael Bernd Schmidt geworden.

Namen sind wichtig und nicht immer leicht zu finden. Fast wäre das achte Studioalbum der "Fantas" unter einem ganz anderen erschienen. Smudo hegt und pflegt eine Sammlung von potenziellen Albentiteln, "Verabredung mit dem Biografen" ist so einer. Aus "Neugier und Sympathie" zu einem Hörbuchverlag hat er einmal eine Falco-Biografie eingelesen. In dieser stieß er auf den Satz: "An diesem Morgen hatte Falco eine Verabredung mit seinem Biografen." "Und das klingt so großartig nach im Absinthrausch dahindiktierten Erinnerungen", sagt er, wieder lachend, dass die Formulierung hängen blieb. Der Mehrheitsentscheid führte dann doch zum mit Augenzwinkern vorgebrachten Wunsch nach der respektvollen Anrede. In Anbetracht von mehr als 20 Jahren Bandgeschichte auch keine schlechte Wahl.

Diesen im deutschsprachigen Hip-Hop einzigartigen Langzeiterfolg erklärt Smudo auch damit, dass sich die Band nie "auf dem hausgemachten Lorbeerkranz des deutschen Rap-Hits" ausgeruht hat, sich stattdessen dem "fast schon krankhaften Wahn" ergab, Neues auszuprobieren.

Neue Wege gangbar zu machen ist auch eine Aufgabe der Selbstvermarktung: "Im Videoclip-Geschäft ist kein Geld mehr zu machen, aber Bilder bleiben in unserer Multimediagesellschaft am ehesten hängen", glaubt Smudo. Er ist auch Geschäftsmann, spricht bedachter, als er erklärt, warum Die Fantastischen Vier trotzdem immer noch aufwendige Kurzfilme produzieren.

Es sei einfach wichtig, Präsenz zu zeigen, auf jedem Kanal, der sich anbietet. "Früher hätten wir so eine Sache wie die Pro-Sieben-Kampagne nicht gemacht. Heute musst du so eine Chance wahrnehmen." Für die eigene künstlerische Zukunft lässt man sich auch vom Privatsender im Fernsehen präsentieren, erklärt dem Zuschauer lächelnd: "Wir lieben es, euch zu unterhalten!"

Die Summe der Einnahmen sei notwendig, niemand könne es sich mehr leisten, auf eine nur durch Tonträger finanzierte Karriere zu bauen. "Wir hatten die Gnade der frühen Geburt", sagt der 42-Jährige und klingt zynisch dabei.

Die Allgegenwärtigkeit der Musik und die Umsonst-Mentalität habe die Künstler zum Umdenken gezwungen: Ohne eine Zusammenarbeit mit Firmen sei die Finanzierung einer Tour kaum noch denkbar, schließlich "konkurrieren wir mit Stars, die auf Welttournee sind und entsprechendes Equipment auffahren. Natürlich gibt es noch die Hardliner wie Die Ärzte oder Die Toten Hosen, die knallhart sagen: Das machen wir nicht. Aber an sich ist das kaum noch durchführbar."

Banale Berichte aus der bunten Glitzerwelt der Stars hören sich anders an. Und auch Smudos Blick in die Zukunft kündet nicht von eitel Sonnenschein. Warum Die Fantastischen Vier überlebt haben, während andere Bands aus den 90er-Jahren längst von der Bildfläche verschwunden sind? "Die meisten haben einfach aufgehört, weil es sich nicht mehr gelohnt hat. Und das wird in den nächsten zehn Jahren auch anderen blühen."

Puh, langsam wünscht man sich den Unterhaltungs-Künstler zurück. Und kramt im Kopf nach leichterer Kost. Da gab es doch mal dieses Gerücht, er trage stets einige Autogrammkarten von Lotto King Karl mit sich herum. Stimmt das? "Nicht ganz, aber er wird oft mit mir verwechselt und ich mit ihm." Auf einem Kinderfest hätten ihm und seiner Tochter erst vor Kurzem einige Jugendliche entgegengebrüllt: "Ey, Loddo, find ich cool!" Er lacht jetzt wieder, und das ist ansteckend.

Die Fantastischen Vier: 23.11., 20.00, O2 World (S Stellingen, Shuttlebus), Sylvesterallee 10, Karten ab 42,- an der Abendkasse