Wer hat Schuld an den Kürzungen beim Schauspielhaus? Wie geht es weiter? Ein Gespräch mit Schauspielhaus-Direktor Jack Kurfess.

Hamburg. Seit ein paar Wochen leitet Jack Kurfess, der kaufmännische Geschäftsführer des Deutschen Schauspielhauses, das Theater. Intendant Friedrich Schirmer war kurzfristig zurückgetreten. Inzwischen hatte der Senat beschlossen, dass das größte deutsche Theater 1,2 Millionen Euro einsparen soll. Eine Million Schulden hatte das Haus in den vergangenen Spielzeiten angehäuft und ein zugesagter Ausgleich, der die Tariferhöhungen für Angestellte im öffentlichen Dienst ausgleichen sollte, wurde für 2010 nicht mehr bewilligt. Unüberbrückbare Schulden? Gewiss. Beim Kulturgipfel der vergangenen Woche wurde einiges davon zurückgenommen. Wie viel, darüber herrscht aber Uneinigkeit bei den Beteiligten. Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) spricht von einmaligen Kürzungen, Kultursenator Stuth behauptet, der Etat würde sich mit geringerer Ausstattung fortschreiben, der kaufmännische Geschäftsführer Kurfess weiß nur eines: "In der kommenden Saison werden wir 600.000 Euro einsparen, im Jahr danach 900.000." Wir sprachen mit Kurfess darüber, wie es mit dem Schauspielhaus weitergeht.

Hamburger Abendblatt:

Wie ist Ihre momentane Verfassung?

Jack Kurfess:

Persönlich äußerst bescheiden. Es ist kein Intendant hier, der die Mitarbeiter zusammenhält, motiviert. So droht das Theater auszubluten. Schauspieler sehen sich nach anderen Arbeitsmöglichkeiten um. Das müssen sie auch. Wir wollen noch anderthalb Jahre zusammenbleiben. Aber das ist äußerst schwierig. In dieser Situation noch existenzielle Beträge einsparen zu müssen macht es nicht leichter.

Lassen Sie uns mal klarstellen, was wirklich eingespart werden muss.

Kurfess:

Die erste Ansage von Kultursenator Stuth hieß, die Zuwendungen werden ab der Spielzeit 2011/12 um 1,2 Millionen Euro abgesenkt. Dieser verringerte Etat sollte fortbestehen. Wir haben erklärt, dass dies das Ende für die kleinen Spielstätten wäre. Oder dass man den künstlerischen Betrieb auf der großen Bühne komplett einstellen müsste. Daraufhin hat sich der Senator bereit erklärt, in der ersten Spielzeit 50 Prozent der Sparsumme zu fordern, 600 000 Euro. In der zweiten dann 75 Prozent, 900 000 Euro. Damit hätten wir schrittweise das Soll erreicht. Ich habe klargemacht, dass danach aber Schluss mit den Einsparungen sein muss, wenn man noch einen qualitätsvollen Spielbetrieb aufrechterhalten will. Unsere Überschuldung von 1 Million Euro, die ja auch noch besteht, sollte gestundet, später erlassen werden.

Hat der Senat beim Schauspielhaus vielleicht so stark gekürzt, weil das Programm so wenig Herausragendes bietet?

Kurfess:

Das ist eine naheliegende Erklärung. Es geht so weit, dass man uns gesagt hat, wir seien selbst schuld. Wenn unsere Inszenierungen besser gewesen wären, hätten wir diese Probleme nicht. Wir haben die Quittung der letzten fünf Jahre bekommen. Jeder Intendant braucht hier lange, um herauszufinden, wie dieses Haus richtig bespielt werden kann, welche Regisseure genügend Kraft entwickeln. Man kann nur an alle Beteiligten appellieren, dafür zu sorgen, dass ein guter Intendant hierherkommt. Und dieser mit einem Etat ausgestattet wird, der ihm erlaubt, kraftvolle Künstler zu engagieren.

Müssen Sie jetzt vor allem das Theater stabilisieren?

Kurfess:

Ja. Wir haben momentan so viele Bälle in der Luft. In der Saison 2012/2013 wird die Technik saniert. Wir müssen sehen, wie wir das Junge Schauspielhaus künftig gestalten. Wir haben keinen Intendanten. Und sicher wird kein ernst zu nehmender Kandidat das Theater mit einer so starken finanziellen Belastung übernehmen. Bürgermeister Ahlhaus sagte daraufhin beim Kulturgipfel, er verstünde das, und man könne keine Vorfestlegung für weitere Kürzungen treffen. Man müsse unbelastet sein, wenn man einen Intendanten mit Strahlkraft suche. So haben wir es auch beide öffentlich erklärt. Auch der Kultursenator hat im Gespräch mit uns versichert, dass er dazu steht, auch wenn eine Pressemitteilung nach dem Gipfel zunächst einen anderen Standpunkt vermuten ließ.

Kultursenator Stuth hat erklärt, die Kürzungen würden den künstlerischen Etat nicht belasten.

Kurfess:

Doch. Anders geht es gar nicht. 90 Prozent unserer Ausgaben sind festgelegt.

Wie schaffen Sie nun die Sparsumme?

Kurfess:

Wir wollten ja die Schulden abbauen. Ich hatte vorgesehen, vier Jahre lang jährlich 300 000 Euro einzusparen. Das geht ohne strukturelle Eingriffe. Aber spätestens ab 2013 braucht das Theater mindestens den vollen Beitrag wieder.

Was bedeutet es künstlerisch, weniger Geld zu haben?

Kurfess:

2011 werden wir eine Produktion weniger herausbringen, also nur sieben im großen Haus. Wir engagieren keine Gastschauspieler mehr. Regisseure sind immer Gäste, da kann man nicht viel sparen. Ein Theater zeichnet sich ja durch eine Vielzahl von Handschriften aus. Und jeder Regisseur bringt noch ein Team mit.

Ohne Gäste werden wir am Schauspielhaus keinen der großen, stilbildenden Regisseure mehr sehen können? Das Hamburger Publikum wäre dann ärmer als das Kölner, Münchner oder Berliner?

Kurfess:

Richtig. Diese bedeutenden Künstler können wir uns nicht mehr leisten. Ist das nicht traurig? Das, wofür das Schauspielhaus jahrzehntelang berühmt war, gibt es dann nicht mehr. Wir haben jetzt nur noch 26 Schauspieler. Wir können ohne Gäste, da wir parallel Vorstellungen zeigen, rein numerisch kein Stück mehr auf die Bühne bringen, das mehr als sieben Schauspieler hat. Noch stärker können wir nicht schrumpfen.

Sie stehen vor der Quadratur des Kreises, mit weniger Geld ein attraktiveres Programm machen zu müssen. Wie geht das?

Kurfess:

Wir packen das jetzt mal an. Mit Lust und Freude. Die Schauspieler haben neue Kraft, das lässt sich auch in den Aufführungen feststellen. Diese Energie müssen wir aufnehmen. Von der müssen wir uns tragen lassen. Ich weiß natürlich nicht, wie weit sie uns trägt. Ich versuche alles zusammenzuhalten, bis ein neuer Intendant kommt. Wenn das Haus auseinandergebrochen wäre, so viel war mir klar, hätten sie das Theater geschlossen. In anderthalb Jahren kommt etwas Neues. Darauf kann sich die Stadt hoffentlich freuen. Wenn der Bürgermeister bei seinem Wort bleibt.