Ein Loblied auf die E-Gitarre, auf ihre Spieler, auf ihre unverwechselbaren Götter. Sie sind seit Jahrzehnten das anschlagende Herz der Rockmusik.

Es war nur eine Einzelmeinung, aber sie erschien plötzlich auf einer Londoner Hauswand. Weil sie wohl doch einem kollektiven Unbewussten Ausdruck gab, fand sie sich bald auch an anderen Plätzen, heute gehört sie zum schmalen Zitatenschatz der Rockgeschichte. "Clapton Is God" stand auf die Häusermauer geschrieben. Dem Gemeinten war das peinlich, aber so waren halt die Zeiten. Die Verehrung für die Helden des Blues und des Rock kannte in den 60er-Jahren keine Grenzen, die Gitarre war von Anfang an die Monstranz dieser neuen Religion, und wer sie so schön spielen konnte wie Eric Clapton, der war eben Gott.

Nun ist das Gottesbild des Rockfans gottlob pantheistisch, es haben auch noch andere Platz auf dem Olymp. Aber der ist, sieht man mal von Sängern ab, eben nahezu ausschließlich von Gitarristen bevölkert. Bassmänner und Schlagzeuger haben da nichts verloren, sie sind bloß die Messdiener. Und Keyboarder gehören, wie in der Kirche, auf die Orgelempore und nicht über den Altar. Dort präsidieren allein die Gitarristen. Vielleicht weil ihr Instrument, obwohl es seine Klangerzeugung nicht schwingenden Luftsäulen verdankt, trotzdem als verlängerter Atem seines Spielers wahrgenommen wird.

Die gut gespielte Gitarre ist eine Gitarre, die atmet. Deshalb sind all die virtuosen Exzesse, die das Instrument im Verlauf seiner Geschichte unter den Händen minderbegabter, dafür umso fleißiger übender Nähmaschinen-Praktikanten bald erleiden musste und bis auf den heutigen Tag erleidet, per se unolympische Umtriebe, also ohne jede Aussicht auf Götterstatus.

Die gut gespielte Gitarre ist die Stimme der Seele. Sie kann jubeln, aber das Jubeln entspricht der Condition humaine ja eher nicht so. Umso häufiger wimmert und klagt und weint sie. Jedes Ziehen der Töne, ob mit den Fingern der linken Hand oder mit dem Tremolohebel, der eigentlich Vibratohebel heißen müsste, legt davon Zeugnis ab.

Doch ihren unverwechselbaren Sound holen auch E-Gitarristen aus den Fingern - und erst dann aus einem ausgeklügelten Zusammenspiel aus Instrument, Effektgeräten und Verstärkermarken. Das braucht nicht so eifersüchtig gehütet zu werden wie die Rezeptur von Coca-Cola, weil selbst die identische Assemblage der Apparate dem Epigonen nichts nützt ohne die Hände, ohne den Geist seines Idols.

Nicht immer gingen die großen Gitarristen pfleglich mit ihrem Gerät um. Pete Townshend, Gitarrist der Who, zerdrosch die Instrumente reihenweise an seinen Verstärkertürmen. Jimi Hendrix schritt lieber zur thermischen Entsorgung. Doch seine rituellen Gitarrenverbrennungen waren kein Akt der Rohheit, sondern kamen der Schlachtung des Lamms zu Ostern nahe. Hendrix: "Als ich meine Gitarre verbrannte, war das wie ein Opfer. Man opfert die Dinge, die man liebt. Ich liebe meine Gitarre." Gitarre Gottes, die du trägst das Leid der Welt.

Nach Hendrix kamen noch ein paar spieltechnische Neuheiten wie die tapping technique , bei der die rechte Hand nicht mehr nur zupft oder mit dem Plektron die Saiten nagelt, sondern wie die linke auf dem Hals Tonhöhen abgreift. Nach Hendrix kamen Heerscharen womöglich flinkerer, theoretisch besser beschlagener Virtuosen. Doch so viel Sound, so viel Seele, so viel Musik wie bei ihm gab's nach ihm nie wieder.

In den 80er-Jahren, als die Gitarrenfeindlichkeit in Rock und Pop am größten war, sprang die E-Gitarre aufs Jazzgleis über. Und auch Pat Metheny, John Scofield, John Abercrombie, Terje Rypdal oder Bill Frisell buchstabierten nicht nur Wes Montgomery weiter. Sie liegen vor allem Jimi Hendrix zu Füßen, jenem Gitarristen, den auch die Götter über alles liebten. Warum hätten sie ihn sonst so früh zu sich geholt.