Die schottische Bestsellerautorin gastiert am heutigen Mittwoch mit ihrem aktuellen Roman “Vatermord“ beim Hamburger Krimifestival.

Berlin. Bei der Frage nach ihrer Lieblings-Mordmethode muss sie dröhnend lachen. Ein Mordsspaß-Lacher, gewissermaßen. Das Abdrücken der Halsschlagader aus einem ihrer frühen Romane, okay, das sei durchaus sanft. Andererseits reicht Fans ihrer Krimis schon der Begriff "Judasstuhl", um ganz besonders heftige Gänsehautschübe zu bekommen. Männer seien da übrigens besonders sensibel, grinst sie breit unter der silbergrauen Kurzhaarfrisur.

Damit wäre schon zu Beginn unseres Gesprächs klar: Mit sanft und freundlich hat Val McDermid es bei ihrer mörderischen Arbeit nicht so sehr. Die Schottin, Ex-Journalistin, mit einer Amerikanerin liiert und Mutter eines Sohns, ist auch die literarische Mutter von Tony Hill und DCI Carol Jordan. Beide reichlich sonderbare Einzelgänger, und gerade deswegen weltweite Bestseller-Garanten. Sie eine Ermittlerin mit vielen Ecken und Kanten, er ein mehr als eigenwilliger forensischer Psychologe, der immer wieder erklären muss, warum Serienkiller so ticken, wie sie ticken. Einer, der nur aus Zufall dort ist, wo er ist, auf der guten Seite der Trennlinie zwischen Schuld und Unschuld.

"Ich wollte ihn immer als die andere Seite der Münze", umschreibt McDermid seine Entstehung. "Ich wollte diese Art von Gegensatz, einen Typen, der in sich für das Licht entschied und nicht für die Dunkelheit. Jemanden, der nicht zu Darth Vader wurde. Das finde ich sehr interessant - warum er auf der richtigen Seite blieb."

Womit wir bei der Grundsatzfrage nach der ewigen Faszination des Bösen sind, das bei ihr in aller Regel auch noch extraböse ist. "Wir alle sind von dem fasziniert, was wir nicht verstehen", meint sie. Und im Vergleich zu Allerwelt-Mordsmethoden entwickeln ihre nun mal eine besondere Anziehungskraft auf den Leser.

+++ Live Extra: Krimifestival +++

In ihrem aktuellen Roman "Vatermord", den sie heute beim Hamburger Krimifestival vorstellt, überrascht sie nicht nur mit einem besonders perfiden Serienmörder, der mehrere Teenager ins Jenseits befördert. Sondern auch mit einem Ende, das ziemlich anders daherkommt als anfangs erwartet. "Nachdem meine Agentin den ersten Entwurf gelesen hatte, rief sie mich an: Um Himmels willen, ein Happy End!" Was so natürlich nicht stimmt. Das halte, wenn überhaupt, gerade mal, bis das nächste Buch kommt. "Da wird alles wieder ganz, ganz fürchterlich", orakelt McDermid. Ein Verbrecher aus einem früheren Roman kommt wieder, "mit fürchterlichen Konsequenzen. Tony und Carol werden also garantiert nicht gemeinsam in den Sonnenuntergang reiten, um irgendwo an einem Kanal in Worcester beschaulich zu töpfern."

Auf die dunkle Seite zu kommen fällt McDermid nicht schwer. Böse Charaktere entwickelt sie genauso wie jeden anderen auch. "Es ist immer eine Reise unter die Haut dieser Figur. Es geht immer darum, was jemand tut, warum er so und nicht anders handelt. Es geht immer um den Antrieb. Aber zu Beginn meiner Arbeit hätte ich mir jemanden wie Tony Hill noch nicht ausdenken können, ich hatte einfach noch nicht das nötige Handwerkszeug."

Dafür hatte sie aber den Rat von Experten. Sie las Material von FBI-Profilern und fand einen klinischen Psychologen, der wie Hill als Profiler für die Polizei gearbeitet hat. Er erklärte jeden Schritt seiner Arbeit, gewährte ihr Einblicke in echte Fälle. "Ich bespreche mich auch jetzt noch mit ihm, wenn ich eine Romanidee habe, frage ihn, ob meine Geschichten Sinn machen. Aber manchmal ist das, was er vorschlägt, so grotesk, dass ich ihm nicht folgen mag. Es gibt da draußen so viel, über das ich nicht schreiben will, so schreckliche Dinge. Was ich schreibe, ist Fiktion; ich weiß das, meine Leser wissen das. Doch diese Dinge sind wirklich passiert. Davor kann man sich nicht verstecken."

Krimiautoren seien soziale Außenseiter, findet sie, und kann das auch glaubhaft begründen. "Bei vielen gab es Teile der Kindheit und der Jugend, in der sie sich wie Außenseiter fühlten - das konnten familiäre Gründe sein, mit den Jobs der Eltern zu tun haben oder mit den Dingen, für die man sich damals interessierte. Wir Krimi-Autoren sind oft diejenigen mit dem Blick von außen, die sich oft nicht als Teil des Mainstreams gefühlt haben. Aber dafür ist es in dieser Gruppe besonders freundlich und gesellig, weil viele von uns das Gefühl haben, das ist der erste Klub, dem sie tatsächlich angehören können."

Ein weiteres Beweismittel ihrer Verteidigung: Fußball-Torwarte. Kein Spaß. Denn das sind oft diejenigen, die sich etwas vom Rest des Teams isolieren. In ihrer Kindheit stand McDermid im Tor - und ist damit in prima Gesellschaft. Denn auch Arthur Conan Doyle, Sherlock Holmes' Schöpfer, spielte weiland beim Portsmouth Football Club in seiner Freizeit auf diesem Posten. Na bitte. Quod erat demonstrandum, würde Tony Hill mit einem leicht schiefen Lächeln jetzt wohl sagen und diskret den Raum verlassen. "Wir sind schon ein bisschen ... seltsam", antwortet McDermid stellvertretend. Und lacht, dass Tote aufwachen könnten.

Lesung: heute, 20 Uhr, Kampnagel, deutscher Text: Jürgen Heinrich, Moderation: Margarete von Schwarzkopf, Eintritt: 12 Euro