Er ist wie fast alle Künstler: Scheinwerfer an - und Charme und Präsenz blühen auf. Kaum einer kann sich dann der magnetischen Kraft entziehen, mit der John Neumeier Menschen in seinem Umfeld an sich bindet. Erlebt man Hamburgs Ballett-Intendanten und Ehrenbürger, wie er witzig und wortgewandt mit seinem charakteristischen "Ami-Akzent" auf der Bühne plaudert, käme man nie auf die Idee, wie penibel er sein Inneres zu verbergen weiß. Denn auch privat ist Neumeier, 68, wie fast alle Künstler: scheu, zurückhaltend, hochsensibel. Ihn flanierend auf einer Straße zu treffen - fast unmöglich. Auch in Horst Koeglers neuem Buch gibt er mehr Einblicke in seine Karriere als in sein Privatleben.

John Neumeier - eine außergewöhnlich kreative Künstlernatur mit zwei widersprüchlichen Seiten. Sie ist spirituell und erotisch, kann großzügig auftreten, sich aber auch als kleinlich, ja pedantisch und sogar tyrannisch erweisen, geht es um die Kunst. Neumeiers Welt ist der Tanz, ihm weiht er sein Leben. Er lebt in seiner Eppendorfer Villa inmitten von Büchern, Bildern, Statuen und Nijinsky-Zeichnungen, die er leidenschaftlich sammelt.

Vielleicht aber lässt sich John Neumeier auch deshalb so selten blicken, damit sich seine große Fan-Gemeinde umso mehr freut, ihn wieder auf der Bühne zu sehen. Wer sich rar macht, fasziniert. Ein kluges Kalkül von Hamburgs verehrtem Ballett-Papst.