Die 25-jährige Schauspielerin über ihre Kindheit in Deutschland und den Respekt vor ihrem Filmpartner Michael Douglas in “Wall Street 2“.

London. In Hollywood gilt sie als neue Audrey Hepburn. Und sobald man ihr gegenübersitzt, ahnt man, warum: diese lakritztalergroßen Augen. Die süße Nase. Der fransige Pony, tief in die Stirn gekämmt. Carey Mulligan, 25, hat einen sagenhaften Aufstieg hinter sich. Vor zwei Jahren war die Schauspielerin quasi unbekannt, bis sie im Film "An Education" unvergesslich authentisch den Schmerz einer enttäuschten Liebe spielte. Dafür wurde sie für den Oscar nominiert.

Nun hat Oliver Stone die junge Britin für die Fortsetzung von "Wall Street" verpflichtet: Darin spielt sie die Tochter des ergrauten, aber immer noch gefährlichen Finanzhais Gordon Gekko (Michael Douglas). Spätestens dieser Film wird Carey Mulligan so richtig berühmt machen. Noch ist sie allerdings ein kleiner goldiger Schatz - und sogar ein bisschen "made in Germany".

Hamburger Abendblatt:

Sie sind 25 Jahre alt, vor drei Jahren kannte sie niemand, nun spielen sie die weibliche Hauptrolle in "Wall Street 2". Erstaunlich, oder?

Carey Mulligan:

Ja, aber so viel hat sich für mich gar nicht verändert. Klar, das letzte Jahr war unglaublich, so was hatte niemand erwartet. Aber viel überraschter als ich war meine Mutter. Als nach den ersten Preisverleihungen überall Fotos von mir in den Zeitungen erschienen, hat sie das richtig mitgenommen. Sie hat sich über jedes falsche Wort aufgeregt. Meine Eltern und mein Bruder waren völlig überwältigt, während mich der ganze Wirbel noch recht kaltließ. Besonders vor der Oscar-Verleihung, als so viel berichtet wurde.

Ihr Vater ist Hotelmanager, Sie mussten oft umziehen. Fühlen Sie sich deshalb manchmal heimatlos?

Mulligan:

Ich fürchte: ja. Ich habe neun verschiedene Schulen besucht, das Herumziehen hat mir nichts ausgemacht. Ich fühle mich auch in Hotels heimisch oder im Haus anderer Leute. Meine Konstante war meine Familie.

Woran erinnern Sie sich, wenn Sie an Deutschland zurückdenken?

Mulligan:

An Zimtsterne, Luftballons und vor allem an meinen Rudolf-Steiner-Kindergarten in Hannover. Ich weiß noch, dass wir dort oft völlig inbrünstig Staub aus den Teppichen geklopft haben, was eine ausgleichende Wirkung auf uns haben sollte. Wir trugen Blumen im Haar, aßen jeden Tag Haferbrei - ich fand's dort einfach toll. Da war ich drei. In Hannover wurde ich dann eingeschult, in Düsseldorf ging ich auf die Internationale Schule. Dort habe ich auch das erste Mal Theater gespielt, mit sechs Jahren, im Stück "Der König und ich". Als ich acht war, zogen wir dann wieder nach England.

Sprechen Sie noch Deutsch?

Mulligan:

Ich verstehe fast alles, aber sprechen kann ich nur, wenn ich betrunken bin. Bei der Berlinale habe ich mal David Kross bei der "Shooting Star"-Party vier Stunden lang auf Deutsch zugetextet.

Vielleicht sollten Sie öfter mal in Deutschland ausgehen ...

Mulligan:

Mein Vater arbeitet jetzt viel in Österreich, dort fahre ich jetzt öfter hin. Der Dialekt klingt aber sehr ungewöhnlich. Als ich 14 war, haben wir alle Orte von damals besucht. Leider hat sich so vieles verändert ... Was ich nie vergessen werde, ist, wie ich mit einer Stange auf die Berliner Mauer eingehackt habe. Das ist eine meiner ersten Erinnerungen überhaupt: unser Besuch an der Berliner Mauer, vier Monate nachdem sie gefallen war. Damals war ich fünf Jahre alt.

Sie wirken trotz der steilen Karriere in den vergangenen Monaten sehr gelassen, hilft Ihnen Ihre ereignisreiche Kindheit dabei?

Mulligan:

Ich bin gar nicht gelassen. Ich hasse es, wenn ich überall fotografiert werde und über rote Teppiche gehen muss. Ich bin bei solchen Anlässen unheimlich nervös und kann das auch nicht abschalten. Dennoch weiß ich, wie froh ich sein kann, dorthin eingeladen zu sein. Es ging nur alles so schnell.

Sind Sie heute erleichtert, dass Sie den Oscar nicht bekamen?

Mulligan:

Ja. Was hätte ich denn auf der Bühne bitte schön sagen sollen? Schon bei der Dankesrede davor habe ich mich böse verhaspelt. Das war bei den BAFTAs, den britischen Film-Awards, und ich hatte überhaupt nicht damit gerechnet, zu gewinnen. Prompt habe ich vergessen, dem Regisseur zu danken. Dafür gehöre ich erschossen!

Waren Sie auch so nervös, als Sie mit Michael Douglas vor der Kamera standen?

Mulligan:

Zum Glück gab es vorher drei Wochen Proben. Ich wusste, in der Zeit muss ich es irgendwie schaffen, meine ganze Bewunderung hinter mir zu lassen. Sonst hätte ich es nicht geschafft, vor lauter Anhimmelei auch nur ein Wort herauszubringen.

Packt Sie bei solch hochkarätigen Kollegen doch noch der Selbstzweifel?

Mulligan:

Nein. Ich glaube zwar, dass ich denen nicht das Wasser reichen kann - aber ich bereite mich gut vor. Mit Michael zusammen habe ich mir ausgemalt, was der Familie Gecko in den letzten 20 Jahren wohl widerfahren ist. Wenn ich dabei auch nur eine Sekunde gedacht hätte, dass ich so gut sein will wie Michael Douglas, hätte ich sofort verloren.

Und wie ist der Film? Eine Kritik zu "Wall Street 2" finden Sie heute im LIVE-Heft auf Seite 7.