Hollywood-Star Tim Robbins entdeckt den Folkrocker in sich und überzeugt im Stage Club mit der famosen The Rogues Gallery Band

Hamburg. Wenn Schauspieler sich auf ihre alten Tage als Musiker versuchen, ist Skepsis angebracht. Anders als Kevin Costners oder William Shatners verzichtbare Tänze mit dem Mikrofon erweist sich Tim Robbins' später Gehversuch jedoch keineswegs als glücklos. Die Gitarre hängt ihm lässig um den Hals. Dabei steht der fast zwei Meter lange Mann mit dem Silberhaar so jovial lächelnd auf der Bühne des Stage Club, als hätte er in 52 Lebensjahren nie etwas anderes getan.

Robbins, schon als Schauspieler alles andere als Hollywood-Mainstream, begnügt sich auch in seiner Musik zwischen American Folk und Shanty nicht mit austauschbarer Herz-Schmerz-Ware. Auch live will es der Oscar-Preisträger wirklich wissen. Mit der sechsköpfigen The Rogues Gallery Band und einem guten Dutzend Songs seines mithilfe von Produzentenlegende Hal Willner (Lou Reed, Marianne Faithful) eingespielten Debüts reist er derzeit durch Europa.

Mit Vorliebe verpackt er reale Lebensdramen, die ihm Menschen spontan zugetragen haben, in Poesie. Etwa die Geschichte eines unglücklich verliebten homosexuellen Schülers in "Crush On You". Eigenkompositionen wie das düstere "Toledo Girl" oder die Antikriegshymne "Time To Kill" ergänzt er um eigenwillig arrangierte Perlen amerikanischer Folk- und Americana-Kunst.

Den Johnny-Cash-Klassiker "Folsom Prison Blues" rauen seine Mitstreiter mit allerlei Gitarrengetöse und Schlagzeuggewitter auf. Der Gemütsmensch, den Robbins häufig auf der Leinwand gegeben hat - in der hochempfindsamen Liebesode "All The World Is Green" von Tom Waits wird er spürbar. Genauso wie im zärtlichen "Don't Let Us Get Sick" von Songwriterlegende Warren Zevon. Stimmlich reicht Robbins zwar nicht an die Originale heran, gewinnt jedoch mit jedem Song an Boden. Mit Hingabe bedient er zudem die bis zu zehn verschiedenen Gitarren. Diese stolze Sammlung hat er nicht erst seit gestern aufgebaut. Immerhin ist sein Vater der bekannte Folk-Sänger Gil Robbins. Bruder Dave ist Komponist. Robbins hat schon immer nebenher, meist nachts, in Hotels Lieder verfasst. 2004 stand er sogar in einer Band mit seinem Bruder im Vorprogramm von Pearl Jam. Auch jetzt stammt die sechsköpfige Begleittruppe nicht von der Stange, sondern ist handverlesen. Keyboarder (und Flügelhornist) Roger Eno ist der jüngere Bruder von Wunderproduzent Brian Eno. Drummer Liam Bradley trommelte schon bei Van Morrison. David Coulter bedient mit Obsession die Mandoline wie zuvor bei der irischen Säufertruppe The Pogues. Gemeinsam zaubert die Combo Soundgespinste, die erheben und beglücken, an Sehnsuchtsorte entführen und auf gesellschaftliche Schieflagen stoßen.

Trotz musikalischer Vorprägung entschied sich Robbins früh für die Schauspielerei. Hollywood verdankt dem mit einem Golden Globe ("The Player") und einem Oscar ("Mystic River") dekorierten Akteur etliche moderne Filmklassiker. Als Stimme des liberalen Hollywood ist Robbins immer ein Unbequemer geblieben. Einer, der als Regisseur und Drehbuchadapteur in "Dead Man Walking" das Thema Todesstrafe anpackte, der gemeinsam mit Schauspielkollege Sean Penn gegen den Irak-Krieg demonstrierte und Ex-Präsident George W. Bush bei jeder Gelegenheit öffentlich kritisierte.

Und natürlich klingt auch zwischen den Liedzeilen des politischen Poeten Robbins die Hoffnung auf eine bessere Welt heraus. Eine Begegnung mit Nelson Mandela inspirierte ihn zu der Gerechtigkeitshymne "Lightning Calls". Die moralisierende Pogues-Ballade "If I Shall Fall From Grace" beschließt den berührenden Reigen im Stage Club. "Danke, dass Ihr gekommen seid, um ein bekanntes Filmgesicht singen zu sehen", verabschiedet sich Robbins in einer Mischung aus Selbstironie und Bescheidenheit. Die hätte er gar nicht nötig. Er darf wiederkommen.