Das Theaterfestival wird mit der griechischen Tragödie “Phädra“ vom Burgtheater Wien fortgesetzt

Thalia-Theater. Am 24. Oktober wollte Christoph Schlingensief seinen 50. Geburtstag in Hamburg feiern. Dazu kommt es nun nicht mehr. Im August starb der Regisseur nach einer Krebserkrankung, die er auch zum Thema einer seiner letzten Regiearbeiten gemacht hat, "Mea Culpa". Am 24. und 25. Oktober gastiert nun Schlingensiefs Inszenierung vom Burgtheater, die seinen Lebenswillen feiert, beim Hamburger Theaterfestival im Schauspielhaus. Es wird wohl die letzte Gelegenheit sein, etwas von Schlingensiefs überbordender Fantasie, seinen rauschhaft egozentrischen Bildern, seiner sprudelnden Ideenfülle auf der Bühne zu sehen. Die Rolle von Christoph Schlingensief wird Joachim Meyerhoff übernehmen, der am Schauspielhaus vor einigen Jahren so grandios den Mephisto spielte.

Das Theaterfestival aber geht an diesem Wochenende erst mal mit einem anderen Highlight weiter. Im Thalia bekommen die Hamburger Zuschauer eine Schauspielerin zu sehen, der man sonst nur in München oder Salzburg begegnen kann: Sunnyi Melles. Sie spielt neben den hier schon bekannten Hans-Michael Rehberg, Paulus Manker und Sylvie Rohrer die Titelrolle in "Phädra". Die Inszenierung von Burgtheater-Chef Matthias Hartmann, die im Sommer bei den Salzburger Festspielen Premiere hatte, zeigt Racines Klassiker über die Gattin des Theseus, die sich rasend in ihren Stiefsohn verliebt, was durch die lange Abwesenheit des Gatten befördert wird, als modernen, bürgerlichen Konflikt. Und seit wir wissen, dass Madonna jüngere Liebhaber bevorzugt, ebenso wie viele Hollywood-Schauspielerinnen, ist es vielleicht auch ein Klatschspaltenthema. Das Burgtheater-Ensemble leuchtet in dieser Inszenierung, der fantastische Choreograf Ismael Ivo formte die Konstellationen, und Sunnyi Melles spielt alle liebesrasend komisch an die Wand.

Am Schlingensief-Abend, 24. Oktober, gibt es im Thalia-Theater noch ein anderes Theater-Highlight zu bestaunen, die Inszenierung eines ebenfalls großen, bereits verstorbenen Regisseurs, Jürgen Goschs "Onkel Wanja" vom Deutschen Theater in Berlin (eine unglückliche, aber unvermeidliche Terminüberschneidung). Auch diese vielfach prämiierte Aufführung ist ein Wunder- und Meisterwerk. Dreieinhalb Stunden feinster Schauspielkunst zeigen unter anderem Ulrich Matthes, Jens Harzer und Constanze Becker (die alle als "Schauspieler des Jahres" ausgezeichnet wurden), wenn sie Menschen zwischen Selbstbetrug, Resignation, Schwäche und Unglückseligkeit spielen. Zum Verzweifeln und zum Lachen ist all diesen verlorenen Seelen aus Tschechows Weltschmerzkomödie.

"Gretchens Faust", ein Goethe-Abend des Berliner Ensembles von und mit Martin Wuttke kommt in Kooperation mit Kampnagel dort am 21. und 22. Oktober auf die Bühne. "Welch ein unverschämt genialischer Zauber!" begeisterte sich der "Tagesspiegel" über die Aufführung, in der Wuttke neben einem Gretchen-Chor eine halsbrecherische Faust-Performance liefert. Wuttkes radikale Strichfassung zieht alle Figuren so sinnreich zusammen, lässt die Szenen so atemlos ineinandergleiten, dass sich die verschiedenen Rauschzonen - Auerbachs Keller, Hexenküche, Dom - herrlich miteinander verzahnen.

Zum Abschluss, am 31. Oktober, gastiert das Deutsche Theater Berlin mit einem wunderbar leichten und komischen Schauspielerfest im St.-Pauli-Theater. Ulrich Matthes und Wolfram Koch spielen Ham und Clov in Becketts "Endspiel" als zwei in Hass und Liebe miteinander verbundene Spaßkumpane. Es ist Sinn und Sinnlosigkeit, Boulevard auf höchstem Niveau. Ein krönender Abschluss eines Festivals, das uns das Beste präsentiert, was das deutsche Theater derzeit zu bieten hat.

Phädra Sa 16.10., 20.00, Thalia-Theater (U Mönckebergstraße), Gerhart-Hauptmann-Platz, das weitere Programm des Theaterfestivals sowie Infos zu den Stücken und Kartenwünschen über die Festival-Homepage: www.hamburger-theaterfestival.de