Hamburg. Carsten Schnieders muss es eigentlich wissen. Wie man Millionär wird? "Viel lesen, und zwar möglichst ganz unterschiedliche Zeitungen. Außerdem sollte man über aktuelle Themen Bescheid wissen. Und ein gutes Allgemeinwissen ist auch kein Nachteil", sagt der Redakteur. Eine treffendere Berufsbezeichnung für den 41-Jährigen wäre sicherlich "Fragen-Erfinder", denn Schnieders ist seit acht Jahren einer aus dem zehnköpfigen Team von "mind the company". Und diese Kölner Fragen-Fabrik sorgt dafür, dass Günther Jauch die Themen für sein Quiz "Wer wird Millionär?" - kurz "WWM" - nicht ausgehen.

Mehr als 22.200 Fragen waren es in den vergangenen zehn Jahren. Jeweils mit einer Doppelfolge feiert der Fernsehsender RTL an drei Freitagen das Jubiläum von Deutschlands beliebtester Quiz-Sendung. Zwei Stühle, 15 Fragen und Günther Jauch - reicht das, um zum Kult-Quiz und Quotengaranten mit durchschnittlich 6,44 Millionen TV-Zuschauern zu werden? Woran liegt es, dass die Begriffe "Telefonjoker", "Publikumsjoker" und "Fifty-fifty-Joker" einen so hohen Bekanntheitsgrad erreicht haben, dass sie mittlerweile im deutschen Duden zu finden sind?

Schnieders sagt, dass Jauch, den er persönlich nicht wirklich kennt, auch wenn man schon mal ein Bierchen zusammen getrunken hat, einen großen Anteil am Erfolg der Sendung hat. "Er spielt sehr gut mit den Kandidaten, ist spontan und man nimmt ihm ab, dass er selbst auch sehr viel weiß." Was er mit "spontan" meint, sind unvergessliche Szenen. Momente, in denen das Fernsehen keine großen Stars oder gefährlichen Stunts braucht, um die Zuschauer zu packen. Wenn zum Beispiel die Anästhesieschwester Heike Schulz so nervös ist, dass sie sich auf den Stuhl des Quizmasters setzt - und Jauch das Spiel dann so lange mitspielt, bis er für die Kandidatin 500 Euro gewonnen hat. Oder wenn in einer Folge drei Kandidatinnen nacheinander bei der zweiten Frage ausscheiden und Jauch anschließend vom "Blondinenkegeln" spricht.

Aber genau so wichtig wie der Moderator, findet Schnieders, ist die eigene Arbeit, die sich im Laufe der Zeit ziemlich verändert habe. "Wir sind sprachlich viel spielerischer geworden", sagt er. Hieß die Einstiegsfrage an die erste WWM-Kandidatin Tanja Ortmann noch: "Besser den Spatz in der Hand als die Taube auf dem ...? A: Sofa, B: Klo, C: Grill, D: Dach", so gab es beim Prominenten-Special mit den Jacob Sisters schon mehr zu lachen. "Die Frage lautete, was im Unterbewusstsein verankert ist", erzählt Schnieders. "Zur Auswahl standen damals auch 'Kacke dampft' und 'Urinstinkt'. Aber die Jacob-Sisters lasen immer 'Urin stinkt'. Die Zuschauer haben sich prima amüsiert."

Wie kommt man auf solche Fragen? "Am Anfang steht immer die Idee", sagt Schnieders. Er liest viel, stößt auf interessante Geschichten oder doppeldeutige Wörter. Und manchmal schnappt er auch am Nebentisch Gesprächsfetzen auf, aus denen sich dann überraschende Fragen ergeben, die er sich sofort notiert. Danach beginnt die journalistische Arbeit. Recherchieren und mindestens immer zwei unabhängige Quellen für die Richtigkeit der Antwort prüfen. Wie in jedem anderen Beruf gebe es gute Tage, "da macht es blink-blink und geht wie von selbst", und andere, "da fällt einem partout nichts ein - und dann sollte man es auch lassen."

Um Doppelungen auf jeden Fall zu vermeiden, sind sämtliche Fragen in einer eigenen Datenbank gespeichert und per Suchbegriff abrufbar. Schriftliche Ausdrucke sind strengstens verboten, damit sie nicht irgendwo liegen bleiben. Gibt es überhaupt noch genügend Fragen? "Doch, doch", sagt Schnieders. "Ich bin manchmal überrascht, dass wir eine ganz naheliegende Frage noch nicht gestellt haben." Woher weiß man, ob eine Frage 16.000 oder 500.000 Euro wert ist? Schnieders nennt Erfahrung und Gefühl als unabdingbare Eigenschaften. "Erstmal entscheidet jeder für sich selbst: Handelt es sich um ein Randthema oder ist das gerade topaktuell? Dann wird intern diskutiert, und schließlich gibt es auch noch die RTL-Konferenzen für die endgültige Festlegung."

Und was sind die Kriterien für die Millionen-Frage, die bei insgesamt 1700 Kandidaten bisher achtmal gelöst worden ist? "Sie muss schwierig, aber auf jeden Fall lösbar sein. Nicht absurd, sondern interessant. Am besten mit einem Aha-Effekt, sodass sie am nächsten Morgen noch Gesprächsthema im Büro ist."

Wie weit würde er kommen, wenn er es bei Günther Jauch als Kandidat auf den Stuhl schaffen würde? "16.000 Euro hätte ich sicher, alles weitere ist reine Theorie - und auch eine Sache der Nerven."