Ein Kommentar von Birgit Reuther

Sie sei unter normalen Theaterbedingungen schon ein Risiko, diese offen angelegte Inszenierung, sagte Thalia-Intendant Joachim Lux am Anfang des Abends, der gut und gerne als historisch bezeichnet werden darf. Doch in diesen vier Stunden am Alstertor war nichts normal. Nicolas Stemann hatte dem Spar-Trauerspiel des Senats mit seinem abgewandelten Jelinek-Stück ein noch nie da gewesenes Spektakel entgegengesetzt und dafür Hamburgs Kulturszene auf der Bühne (und im Saal) vereint. In Hinblick auf dieses außergewöhnliche Experiment sagte Lux gelassen: "Jetzt ist das Risiko eben doppelt so hoch."

Ach, wie würde man sich doch wünschen, dass Kultursenator Reinhard Stuth und sein Senatsensemble auch nur ein Quäntchen dieser Risikofreude zeigen könnten. Dass sie sich darin üben würden, Schwebezustände auszuhalten, statt Schließungsbeschlüsse durchzudrücken. Dass sie mehr vertrauen würden in die Eigendynamik und Kraft der Kunst.

Doch in Wirklichkeit klingt die Politik derzeit eher wie der zynische Chor der Bankerinnen in "Die Kontrakte des Kaufmanns": "Ihre Unsicherheit ist unsere Sicherheit." Zum Glück reagieren Schauspielhaus, Altonaer Museum und Bücherhallen nicht wie die abgezockten Kleinanleger im Stück: "Ach, wären es doch bloß andere als wir gewesen." Das wäre, weiß die Kulturszene längst, viel zu kurz gedacht. Freuen wir uns also auf weitere kunstvoll inszenierte Solidarität.