Regisseur Julian Schnabel bekommt heute den Douglas-Sirk-Preis

Hamburg. Dieser Mann ist ein Glücksfall. Weil er Charismatiker ist und Künstler, Maler und Fotograf, und als Filmemacher hat er stets die ganz großen Fragen bearbeitet. Julian Schnabel, 58, Regisseur von Weltruf, nimmt heute in Hamburg den Douglas-Sirk-Preis entgegen. Im Gepäck hat er seinen neuen Film "Miral", den er vor einigen Tagen im Programm des Festivals von Venedig zeigte und der heute als Deutschland-Premiere im Cinemaxx gezeigt wird. Der Film behandelt ein Thema, das aktueller und dauerhafter kaum sein kann: die unendlich komplizierte Krise im Nahen Osten.

Miral, die Protagonistin, die dem Film ihren Namen gegeben hat, wächst als Palästinenserin in Ostjerusalem auf. Zwischen ihrem Wunsch, in Frieden zu leben, und dem Drang, sich politisch zu engagieren, sucht sie ihren eigenen Weg. Freida Pinto, der Star aus "Slumdog Millionär", spielt die junge Palästinenserin, und auch sonst ist der Film hochkarätig besetzt: Vanessa Redgrave, Willem Dafoe und Hiam Abbas sind in wichtigen Rollen zu sehen. "Miral" ist ein Film, der für Bildung und Erziehung als Ausweg aus dem Teufelskreis von Konflikt und Gewalt plädiert - und wer konnte schon ahnen, dass zeitgleich die Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern beginnen?

In diesem Zusammenhang ist die Feststellung eine erfreuliche, dass "Miral" der erste Film von Schnabel ist, der nicht mit dem Tod der Protagonisten endet. Als "Gedicht und einen Ruf nach Frieden" hat Schnabel seinen Film bezeichnet, der auf der Autobiografie der Journalistin Rula Jebreal ("Die Straße der Blumen") basiert. Auch Jebreal kommt heute als Premierengast ins Cinemaxx am Dammtor, sie ist Schnabels Lebensgefährtin.

Julian Schnabel erinnert ein wenig an einen Barockfürsten: Genussfreudig ist er, bohemienartig, mit ausladenden Gesten - aber auch neugierig und großzügig. Interviewpartner empfängt er schon mal in Hausschuhen, Strickjacke und fliederfarbenem Schlafanzug. Er antwortet auf alles, und manchmal sogar auf die Frage, die man ihm gestellt hat. In der ohnehin schon illustren Welt des Films ist er ein besonders bunter Vogel, den man erfinden müsste, wenn er es nicht schon längst selbst getan hätte.

Mit seinen "Plate paintings" - monumentalen Bildern voller Kraft und Farbe - erzielte der in New York geborene Künstler in den 80er-Jahren sechsstellige Summen. Als der Kunstmarkt in eine Krise trudelte, begann er seine Karriere als Regisseur. Er drehte mit "Basquiat" und "When Night Falls" zunächst zwei Künstlerporträts. Vor drei Jahren schuf er dann mit "Schmetterling und Taucherglocke" ein faszinierendes Drama über einen Mann, der nach einem Schlaganfall fast völlig gelähmt im eigenen Körper gefangen ist und sich nur noch per Augenblinzeln mit der Außenwelt verständigt.

Schnabel hat sich im Laufe seiner Karriere in vielen Ausdrucksformen mit der Kraft der Bilder beschäftigt. "Ich mag an Bildern, dass man alles, was man sieht, gleich unmittelbar bekommt. Man muss sie nicht verstehen, um davon angezogen zu sein. Man kann sich auch mystifizieren lassen", sagte er dem Abendblatt.

In jüngster Zeit ist Schnabel auch als Fotograf in Erscheinung getreten. Weil er sich auf nichts festlegen lässt - den Film, das Leben, die Kunst. Schnabel ist das alles. Seine "Polaroids", auf denen er Freunde wie Mickey Rourke, Dennis Hopper oder Christopher Walken verewigt hat, sind vom 6. bis 11. November 2010 in der Galerie Colnaghi in London zu sehen; ob sie jemals nach Deutschland kommen, ist ungewiss.

Sein berufliches Credo beschreibt Julian Schnabel so: "Kunst sollte nützlich sein und keine Dekoration." Nun ist der Douglas-Sirk-Preis gewiss eher dekorativ und bestenfalls von ideellem Wert. Auf jeden Fall aber wird er auf Schnabels Trophäen-Regal neben dem Golden Globe und dem Preis für die beste Regie vom Filmfestival in Cannes eine gute Figur machen.

Miral Premiere heute, 19.15, Cinemaxx (S Dammtor), Dammtordamm 1.

Die Laudatio auf Julian Schnabel zur Preisverleihung hält der Kunstkritiker Walter Grasskamp.