Der ARD-Sechsteiler erzählt die DDR vor allem von der menschlichen Seite her. Die Hauptdarsteller Hannah Herzsprung und Florian Lukas überzeugen.

Zwei Sippen im Erbstreit. Eine Liebe über alle Hürden hinweg. Brüder, die nicht nur darüber in erbitterte Feindschaft geraten. Von Eltern, die einst was mit der anderen Seite hatten. Das Ganze dienstagabends im Ersten, betitelt nach dem Ort der Handlung - war da nicht was? Es war: "Dallas", die Dauerfehde der Ewings mit den Barnes um Geld, Macht, Liebe. Es kann kein Zufall sein, dass die Mutter aller dynastischen TV-Serien kurz nach dem Zeitpunkt in Deutschland anlief, wo nun "Weissensee" spielt: 1980. Umso bemerkenswerter, dass die importierte Urversion im erzkapitalistischen, überflussversorgten, ölsprudelnden Texas stattfand, der eigenproduzierte Nachfolger dagegen im erzsozialistischen, mangelversorgten, bürokratiesprudelnden Ostberlin.

"Weissensee" ist die Geschichte der Familien Kupfer und Hausmann, deren Mitglieder hier zur staatstragenden, dort zur herzensgeleiteten Seite des Sozialismus stehen und gerade deshalb ideologisch so entfremdet sind. Sechs Teile lang erzählt die ARD das Drama als ostzonale Variante von Romeo und Julia, JR und Bobby, Montagues und Capulets, aus Hoffnung und Glauben, Gehorsam und Aufbegehren. Es stellt sich die Frage: Kann man das, nur 20 Jahre danach - die DDR als reine Familiensaga erzählen, als Gesellschaftsporträt, Unterhaltungsformat, einfach so?

Kann man nicht! Sagt Volker Herres. Wer es versuche, erklärt der ARD-Programmchef, der spare etwas Wesentliches aus: "Wie ein totalitäres System das Leben so sehr durchdringt, bis es jede Privatheit zerstört." So überrascht es kaum, dass der erste gesamtdeutsche Ansatz, dem ernstlich daran gelegen ist, auch die Alltagsseiten im Unrechtsstaat ohne allzu erhobenen Westfinger zu verfilmen, am Ende doch recht viel Repression, Stasi-Dunst und Spießersozialismus atmet. Dass "Weissensee" dennoch gelungen ist, spricht für Regisseur Friedemann Fromm und seine Autorin Annette Hess.

Denn es ist ihnen gelungen, Charaktere zu zeichnen, die sich weniger als im Leitmedium üblich nicht im Abarbeiten lieb gewonnener Klischees erschöpfen. Wenn Volkspolizisten ein Indianerfest wegen "Gefährdung der öffentlichen Ordnung" räumen, karikiert das die Piefigkeit des Systems, wenn sie es aber nicht weiter ahnden, auch dessen Durchlässigkeit. Die akribisch arrangierten DDR-Kulissen geraten dabei nicht zum Wesen der Geschichte, sondern zu notwendiger Ausstattung. Ein Kinderzimmer sieht also einfach aus wie ein Kinderzimmer statt wie die Musterräume im DDR-Museum Eisenhüttenstadt, das die Requisite mit Material versorgt hat. Durch die Straßen knattern nicht zwanghaft ganze Trabi-Flotten und die Menschen dürfen oft reden, wie sie eben so reden, wenn Politik grad mal sehr fern ist.

Vor allem aber erzählt "Weissensee" eine innige, nicht immer glaubhafte, aber zutiefst bewegende Liebesgeschichte mit einem Florian Lukas als renitenter Stasi-Offizierssohn und einer Hannah Herzsprung als seine arglose Julia. Gut, unter all den scheußlichen Klamotten, die man 1980 im Osten so trug, dürfen sie natürlich die schanzenvierteltauglichsten tragen, während der Stasi-Mob stets beigegrau muffelt. Ihre Kinder heißen lässig Lisa, Frisuren atmen den modernen Duft der Retromode, nicht der Originalsünden.

Zeitzeugen dürften mäkeln wie sie es bei historischen Stoffen eben tun, wenn archivierte Erinnerungen von Außenstehenden durch die eigene Auslegung verunreinigt werden. Aber selbst diese Kritiker müssen anerkennen, dass "Weissensee" sich angenehm zurückhält beim Interpretieren. Zumal fast nur "Eingeborene" in den Hauptrollen stecken. Sie garantieren die darstellerische Glaubwürdigkeit der Reihe.

Niemand spielt wütende Leidenschaft besser als Hannah Herzsprung, niemand den unrebellischen Rebellen besser als Florian Lukas. Jörg Hartmanns biederer Stasi-Aufsteiger Falk Kupfer ist ebenso unnachahmlich wie Katrin Sass' trotzige Dissidenz der Feindin im eigenen Lager, Uwe Kockischs empathischer Offizier nicht weniger als Stephan Grossmanns liebenswertes Mitläufertum als simpler Vopo.

Es sind also zuallererst Menschen, die "Weissensee" sehenswert machen. So sehr, dass eine Fortsetzung folgt, ganz gewiss. Das Ende ist dafür offen genug. An "Dallas" wird es trotzdem nicht heranreichen. Das lief in 356 Folgen.

Weissensee ARD 20.15 Uhr