Die Magie des Bekannten in neuer Form lassen von den 50er-Jahren heute nicht viel übrig - trotzdem kommen Baseballs & Co. an.

Was heute "Die Simpsons", war früher "Die Abenteuer von Ozzie und Harriet": Von 1952 an bis 1966 war die TV-Serie über die reale, in Los Angeles lebende Familie Nelson ein echter Dauerbrenner. Vor allem Nesthäkchen Ricky Nelson wurde ein Liebling der Fernsehnation, wenn er zur Gitarre griff und Fats Dominos "I'm Walkin'" oder Baker Knights "Lonesome Town" sang.

1966 aber hatte das Abbild der idealisierten - weißen - amerikanischen Durchschnittsfamilie längst den Bezug zum Zeitgeist verloren. Die 50er-Jahre mit ihrer geschniegelten Biederkeit, der Atombegeisterung und der Freude an heillos prospekttauglicher Wohlstands-Idylle wirkten in Zeiten von Vietnam und allgemeinem zivilem Ungehorsam wie von vorgestern. Die Abenteuer von Ozzie, Harriet, David und Ricky wollte niemand mehr sehen.

Nicht nur im Fernsehen, auch in der wilden Welt der Popmusik waren die 50er-Jahre obsolet geworden. Elvis produzierte nur noch Mist, Little Richard betete, Buddy Holly und Eddie Cochran waren tot. Den Ton gab eine Band aus Liverpool an, die es schaffte, vom Rock 'n' Roll ausgehend, Pop völlig neu zu definieren. Die Beatles und die "British Invasion" mit Stones, Kinks und The Who überrollten Amerika.

Bis heute haben es die musikalischen 50er schwer, so ernst genommen zu werden wie die 60er-Jahre mit ihren technischen und kompositorischen Quantensprüngen. Aber Undank ist immer eine Art Schwäche. Der Rock 'n' Roll ist der Stamm, dessen Wurzeln bis zum unangepassten Geist eines Mozart reichen, die Äste über Punk und Metal bis in unsere Zeit.

Nicht nur Elvis legte 1968 ein Comeback hin, auch in vielen weiteren (Sub)-Kulturen begleiten die 50er uns bis heute. Rock 'n' Roll, Rockabilly, Punkabilly oder Psychobilly fanden immer ihre Freunde. Zum Beispiel mit den Stray Cats in den 80ern, den Leningrad Cowboys in den 90ern oder aktuell zuletzt mit Kitty, Daisy & Lewis auf dem Dockville-Festival und am 11.9. mit den süßen Pipettes in der Beatlemania.

Vielleicht liegt es daran, dass Elvis seine Armeezeit in Deutschland verbrachte, hierzulande jedenfalls greift man nicht nur in der Hamburger Bar "20 Flight Rock" in der Friedrichstraße in den praktischen Pomadespender. Das "Buddy"-Musical im Hamburger Hafen stürzte zwar ebenso ab wie die Flugzeuge, in denen Buddy Holly 1959 und Ricky Nelson 1985 saßen, aber trotzdem hört man gerne zurück.

Pop-Beau Sasha gelang sein einziges Nummer-Eins-Album ("Dick This"), als er sich 2003 aus einer Laune heraus in das Alter Ego Dick Brave verwandelte und Pop-Hits im Stil der 50er coverte. Diese Vorlage nahm 2007 das Berliner Trio The Baseballs auf und stürmte zwei Jahre später mit dem Dick-Brave-Ansatz und dem Debütalbum "Strike" die Charts. Europaweit! Dass der Rock 'n' Roll, den die Baseballs Sam, Digger und Basti am 12. September im Stadtpark präsentieren, so harmlos wie die Abenteuer von Ozzie und Harriet ist, wird der Begeisterung keinen Abbruch tun.

Und die nächsten Rückschau-Rocker stehen auch schon in den Startlöchern: Am 1. Oktober veröffentlichen Bernd Begemann und Dirk Darmstädter ihre gemeinsame Platte "So geht das jede Nacht" mit neu interpretierten deutschen Rock-Raritäten aus den 50er- und frühen 60er-Jahren. Ein vergessenes Kapitel, entdeckt und enträtselt von zwei Hamburger Originalen.

Nur ein Rätsel, das ein anderes Trio aus Berlin - Die Ärzte - bereits 1985 stellte, ist weiterhin ungelöst: Wo ist Buddy Hollys Brille jetzt?

The Pipettes Sa 11.9., 21.00, Beatlemania (S Reeperbahn), Nobistor 10, Karten zu 24,70 im Vvk.; www.thepipettes.org

The Baseballs So 12.9., 19.00, Stadtpark (S Alte Wöhr), Saarlandstraße, Karten zu 30,90 im Vvk.; www.thebaseballs.com