Der Amerikaner Mark Oliver Everett und seine Band Eels geben ein furioses, hitziges Konzert in der Großen Freiheit - und überraschen.

Hamburg. Fast könnte man Mark Oliver Everett als den Thomas Pynchon der Rockmusik bezeichnen. Ähnlich wie der große Unbekannte der amerikanischen Literatur kann niemand derzeit sagen, wie er wirklich aussieht. Die Bühne betritt er in einer Art weißem Ganzkörperanzug, die Augen im zugewachsenen Gesicht verborgen hinter dicken Sonnenbrillengläsern. Den Kopf von einem Nerd-Kopftuch verhüllt. Wer dieser Musiker ist, der sich selbst E. und seine Band Eels nennt, kann man dafür hören. Und das furios. Mit einem Bassisten, zwei Gitarristen, einem Pedal-Steel-Künstler und einem Drummer entfesselt die Band aus den USA in der ausverkauften Freiheit ein lupenreines Rockbrett.

Everett und seine Mannen beherrschen die Funkhitze auf höchster Kochstufe genauso wie liebevoll bluesige Herzschmerzoden, etwa in "In My Dreams". Höchst athletisch bedient der 47-jährige E. seine hellblaue Gitarre. Schnarrt mit Krächzstimme vom Älterwerden ("In My Younger Days"), resümiert sein Rock-Kauz-Dasein auf ironische Weise ("Dog Faced Guy") oder liefert seinen Beitrag zur Blutsaugerserie "True-Blood" in dem Kracher "Fresh Blood". Die Jungs gruppieren sich mit eingefrorenen Mienen dazu. Auch sie kommen nicht ohne Lichtschutz und Kopfbedeckung aus. In ihrem Spiel gibt es nichts zu verstecken.

In den nur knapp zwei- bis dreiminütigen Songs wechseln sich getragene akustische Trauer aus dem aktuellen Longplayer "End Times" mit hitzigen Rockabilly-, Funk- und Rock 'n' Roll-Nummern aus den Vorgängern "Hombre Lobo" und "Tomorrow Morning" ab. Neben älterem Material streut die Band auch überraschende Coverversionen, wie das feurige "Summer In The City" von The Lovin' Spoonful oder Billy Stewart's Sixties-Version des Gershwin-Klassikers "Summertime" ein. Ein Eels-Konzert ist immer unvorhersehbar, die Songs aus der Konserve manchmal bis zur Unkenntlichkeit umarrangiert.

Verschroben, sonderbar, großartig

Nicht nur wegen des göttlichen Gitarrenspiels muss man den Sonderling Everett sofort ins Herz schließen, wie er mit waidwunder Stimme den Rockpoeten mimt. Den Dolch im Herzen. "Why Won't You Just Tell Me What's Going On", fragt er. Oder bemerkt bitter: "That Look You Give That Guy". Er ist eben etwas schief in die Welt gebaut. Unzählige Geschlechterkriege hat er ausgefochten, viele von ihnen hörbar verloren. Nun besingt er kratzstimmig das "Spectacular Girl" oder attestiert einem weiblichen Wesen eine Aura wie "Tremendous Dynamite".

Für einen Musiker, der auf seinen frühen Alben so wenig erhebende Themen zu verarbeiten hatte, wie den Selbstmord der depressiven Schwester, den genialen aber gefühlskalten, erst der Quantenphysik und dann dem Alkohol hörigen Vater und den Krebstod seiner Mutter, geht das Konzert dem Leben zugewandt über die Bühne. Der Meister selbst kann sich gar nicht über so viel entgegengebrachte Wärme beruhigen: "Ich liebe euch, Schatzi!" Dann ist der Spuk vorbei. Und der Rock-Kauz zieht sich erleichtert in seine Anonymität zurück.