In Ildikó von Kürthys neuem Roman “Endlich!“ wird die Heldin 40 und erkennt, dass sie ein neues Ego braucht - und definierte Oberarme.

Hamburg. Ein Großteil des Problemfeldes, aus dem Ildikó von Kürthy die Themen für ihre Romane zieht, könnte um das Motto "Eine Frau kann nie zu jung, zu dünn oder zu reich sein" kreisen. Kurz, es geht in Kürthys Büchern jeweils um eine Frau, die Probleme mit ihrem Körper und mit den Männern hat. Die Heldinnen kämpfen mit ihrem Gewicht, den Themen für eine witzige Konversation beim ersten Date, sie sind schwatzhaft, versessen auf Süßigkeiten, tollpatschig, kaufsüchtig, haben eine beste Freundin und einen schwulen Freund. Ihr Garant für das Lebensglück ist Konfektionsgröße 36 sowie die Eroberung eines attraktiven Mannes. Des einen Mannes, der nicht über ein erbsengroßes Hirn und einen mangelhaften Charakter verfügt und der nicht mit den Genitalien denkt. Sucht man eher den zuverlässigen oder den wilden Typ, fragt Kürthy: "Hat man die Sicherheit, fehlt die Leidenschaft. Hast du hingegen einen, der dich auf Latexlaken einölt, macht der garantiert hinterher die Flecken nicht weg und vergisst dauernd, die Kinder von der Schule abzuholen."

Aus diesem Setting zieht die Autorin all ihre urkomischen Beobachtungen, die die Leserinnen so amüsieren, weil sie sich darin wiedererkennen. Fakt ist: Frauen, die in Urlaub gehen oder die mal Liebeskummer hatten, Frauen, die sich zu dick fühlen - also praktisch alle -, kaufen gerne Kürthys Bücher. Fünf Millionen Exemplare ihrer fünf Romane hat die Autorin bisher verkauft, die in 21 Sprachen übersetzt worden sind. Nun ist der sechste Roman erschienen: "Endlich!"

So heißt das Buch und es handelt diesmal - altersgerecht, denn die Autorin hat inzwischen das 40. Lebensjahr überschritten - von einer Frau, die gerade 40 geworden und überdies schon verheiratet ist: Vera Hagedorn, freiberufliche Texterin, wohnhaft in Stade. Aber nicht nur die Tatsache des Alterns macht Vera Probleme, sondern auch der Geburtstag selbst. Der nämlich liegt im Januar. "Eine typische Geburtstagseinladung im Januar setzt sich wie folgt zusammen", schreibt Kürthy am Anfang von "Endlich!": "Die eine Hälfte der Gäste kommt nicht, weil sie sich auf einer Entgiftungskur oder beim Fastenwandern befindet. Von den restlichen acht Leuten sind mindestens acht unzufrieden mit dem Gewicht, das sich während der Festlichkeiten rund um ihre Problemzonen niedergelassen hat. Drei verzichten seit Neujahr auf Kohlenhydrate inklusive Alkohol, zwei davon brechen ihre Vorsätze beim Nachtisch und müssen um halb zehn beschämt und betrunken nach Hause getragen werden. Der Rest macht eine Darmsanierung nach F. X. Mayr, hat sich stinkenden Tee in Thermoskannen mitgebracht und blockiert stundenlang die Toilette, weil das Abführmittel vom Morgen erst jetzt zu wirken beginnt."

Ja, da ist er wieder, dieser typische Kürthy-Ton, diese Mischung aus Witz und Wahrheit. Diese Anmutung, die den Leserinnen so vertraut erscheint, weil sie ähnliches schon mal gedacht oder mindestens gehört haben.

Vera also leidet unter dem Leben in der Provinz und unter dem Wunsch ihres Schwiegervaters nach Enkelkindern, neuerdings auch darunter, dass ihr Ehemann Marcus, der im Sanitärgewerbe arbeitet, sie betrügt. Das hat sie zufällig bei Facebook herausgefunden.

Und so rauscht Vera nach Berlin, zu ihrer mehr als coolen Freundin und erfindet sich neu. "Ich bin eigentlich mehr der bequeme Typ", beschreibt sich Vera, "eher häuslich als abenteuerlustig, mit überschaubarem Ehrgeiz, Hang zu Vorabendserien und großer Lust auf geregelte, sättigende Mahlzeiten." Ergänzend sagt sie: "Abends ziehe ich mir gerne was Gemütliches an, bei dem die Optik nicht direkt im Vordergrund steht." In Berlin ist damit nun endgültig Schluss: "Ich brauche ein neues Ego und definierte Oberarme", erkennt sie.

Was Vera in der Großstadt begegnet oder in Gestalt ihres Personal Trainers, ob sie ihr Leben danach noch zurück will oder genau das bekommt, was sie sich schon immer hätte wünschen sollen, das ist bei Kürthy rasant wie gewohnt beschrieben, aber diesmal auch ein wenig ernster, nachdenklicher und kritischer. Heldin Vera ist kein armes Hascherl, kein Aschenputtel, sondern eine handfeste, alltagstaugliche, witzige Frau. Und wer hätte die nicht gerne?

Ildikó von Kürthy stellt ihr Buch im Rahmen des Harbour-Front-Literaturfestivals am 15.9. im St.-Pauli-Theater vor, Spielbudenplatz, 20 Uhr, Eintritt: 12 Euro