Am Sonntag löst Ulrike Folkerts als Hauptkommissarin Lena Odenthal ihren 50. Fall. Seit 22 Jahren spielt sie die Rolle ihres Lebens.

Ludwigshafen. In Umfragen nach den beliebtesten "Tatort"-Kommissaren landet Ulrike Folkerts regelmäßig ganz vorn. Zu Recht: Auch nach mehr als 20 Jahren im Dienst der Kripo Ludwigshafen und 50 Fällen ist Hauptkommissarin Lena Odenthal von Abnutzungserscheinungen verschont geblieben. Und dass Folkerts im kommenden Frühjahr 50 Jahre alt wird, sieht man ihr ohnehin nicht an.

Die Schauspielerin war nicht immer glücklich damit, in der Öffentlichkeit wie auch in der Kino- und TV-Branche stets auf die burschikose Ermittlerin reduziert zu werden. Noch vor wenigen Jahren klagte sie, wegen dieser Rolle kaum andere Angebote zu bekommen: Sie fürchtete, als "verbrauchtes Gesicht" zu gelten, wie das wenig schmeichelhaft in der Fernsehsprache heißt. Als Schauspielerin, die man zudem sofort mit der ARD verbindet, kam sie für Filme kommerzieller Sender lange Zeit nicht infrage. Damals hätte sie wohl gesagt, Lena Odenthal habe ihre Karriere eher verhindert als befördert. Das hat sich geändert: "Heute weiß ich, dass ich es gar nicht besser treffen konnte. Ich habe lange mit der Rolle gehadert und mich gefragt, ob ich sie aufgeben muss, um andere Wege einschlagen zu können, ohne allerdings zu wissen, wo die hingeführt hätten."

Abgesehen davon ist es offenbar eine typische Eigenschaft vieler Schauspieler, immer das zu wollen, was sie gerade nicht haben. Folkerts kennt das auch: "Die vom Theater wollen zum Fernsehen, die vom Fernsehen wollen zum Kino, und die vom Kino vermissen die Bühne." Ihr dagegen ist irgendwann klar geworden, was sie für ein Glück hat: "Der 'Tatort' ist enorm erfolgreich, die Filme haben tolle Quoten, ich komme prima mit den Kollegen klar, der Sender schätzt unsere Arbeit, es gibt eine riesige Resonanz." Seit sich ihre Einstellung geändert hat, kommen plötzlich auch Aufträge: "Endlich gibt es die Herausforderungen, die ich mir immer gewünscht habe." Und dann räumt sie noch ein, dass sie am Theater vermutlich "sowieso dauernd Krach mit egozentrischen Regisseuren bekommen hätte. Außerdem sind die Männerrollen auf der Bühne meistens spannender."

Die Erfolgsgeschichte von Lena Odenthal ist ohnehin derart eindrucksvoll, dass Klagen fast undankbar wirken. Trotzdem ist Folkerts' Haltung verständlich. 1988, als sie für die Rolle verpflichtet wurde, "sagten die Kollegen: Wenn du 'Tatort' machst, stehen dir alle Türen offen! Ich habe mich also darauf gefreut, viele Filme zu drehen und Theater zu spielen. Und dann habe ich gemerkt: Durch den 'Tatort' sind erst mal Türen zugegangen. Ich habe einen Film pro Jahr gedreht und ansonsten in einer Kneipe gearbeitet."

Hätte sie damals für 20 Jahre unterschreiben müssen, sie hätte garantiert nicht angenommen: aus Furcht, die Verpflichtung würde ihr die Karriere verbauen. Heute weiß Ulrike Folkerts, dass der "Tatort" auch Türen geöffnet hat, schließlich hat sie vor fünf Jahren als erste Frau überhaupt im Salzburger "Jedermann" den Tod gespielt; das war bis dahin eine klassische Männerdomäne - genauso wie einst die TV-Kommissare. Der Südwestfunk hat sich 1978 als erster Sender getraut, eine Frau ins Ermittlerrennen zu schicken. Nicole Heesters, das weiß auch Folkerts, hatte es als Oberkommissarin Marianne Buchmüller viel schwerer als sie: "Mir kam entgegen, dass Lena Odenthal als Figur deutlich härter, sehr sportlich und etwas spröde angelegt war." Trotzdem musste die Ludwigshafener Polizistin anfangs in vielen Fällen beweisen, dass sie dem Beruf gewachsen ist und auch Frauen brutale Morde aufklären können: "Die Täter waren meistens Kerle, die sich überlegen fühlten, weil die kleine Kommissarin noch gar nicht weiß, wie das Leben so spielt." Folkerts' Verkörperung widersprach damals so stark dem üblichen Rollenklischee, dass Studentinnen der Medien- und Kommunikationswissenschaften, die sich mit dem Frauenbild im Fernsehen befassten, sie immer wieder um Interviews baten.

Mittlerweile leitet Lena Odenthal den Laden und muss niemandem mehr etwas beweisen. Eines aber hat sich nicht geändert: Autoren und Regisseure machen sich die Fitness von Ulrike Folkerts nach wie vor gern zunutze, um entsprechende Szenen in die Filme einzubauen. Auch im Jubiläumsfilm "Hauch des Todes" (22. August) ist das regelmäßige Jogging der Kommissarin ein dramaturgisch wichtiger Teil der Handlung. Ihre Sportlichkeit verdankt Folkerts ihrer Mutter, die sie schon früh in einen Schwimmverein geschickt hat. Training mehrmals die Woche, am Wochenende dann die Wettkämpfe: Das hat Grundlagen geschaffen, von denen sie bis heute zehrt. Sie treibt nach wie vor zwei- bis dreimal pro Woche Sport. Fitnessstudios mag Ulrike Folkerts übrigens nicht. Da die Drehtage aber mittlerweile viel länger dauern als früher und sich im Winter oft in die Dunkelheit hinziehen, fällt das Laufen deshalb auch mal aus.

Die Veränderungen der Produktionsbedingungen sind ohnehin ein Thema, das ihr am Herzen liegt. Im Jubiläums-"Tatort", einer von Regisseur Lars Montag fesselnd inszenierten Jagd auf einen Serienmörder, gibt es eine gut fünf Minuten lange Szene, die ohne Schnitt in einer Einstellung gedreht worden ist. Dafür, sagt Folkerts, "haben wir einen halben Tag geprobt und ebenso lange gedreht, wir mussten zehnmal von vorn anfangen. Der Aufwand hat sich gelohnt, aber so etwas kann man sich eigentlich gar nicht mehr leisten. Als ich anfing, hatten wir 32 Drehtage, heute sind es nur noch 24. Wenn man weniger Drehzeit hat, wird der Druck manchmal enorm, man kann vor wichtigen Szenen kaum noch proben. Und die Drehtage dauern meistens zwölf Stunden und mehr." Nicht nur diese Arbeitsbedingungen bedauert die Schauspielerin, auch die Drehbücher hätten nicht mehr die Qualität früherer Jahre. Weitermachen wird sie trotzdem. "Tatort" ohne Lena Odenthal: Das ist ohnehin schon längst nicht mehr denkbar.

"Tatort - Hauch des Todes", So, 20.15 Uhr ARD