Der mairisch-Verlag huldigt mit seiner 25. Veröffentlichung dem Einfluss von Pop auf Literatur: Die Platte “Bookends“.

Hamburg. Es gibt Schreibmusik. Das sind Songs, die die Worte besser fließen lassen. Die jungen Autoren des Hamburger mairisch-Verlags, weiß Mitbegründer Daniel Beskos, könnten zu ihren Büchern detaillierte Discografien erstellen, also Listen mit Platten, die die Gedanken zum Klingen bringen.

Vor allem deutschsprachige Pop-Lyrik sei ein großer Ideengeber für Schriftsteller wie Finn-Ole Heinrich und Michael Weins aus Hamburg, erzählt Beskos im Gemeinschaftsraum des lichten Altonaer Altbaus, in dem der mairisch-Verlag beheimatet ist. Vom Parkett bis zur Stuckdecke ragen Birkenstämme. Um die Lampe rankt grüne Plastikkunst, die aussieht, als hätten sich ein paar Synapsen neu verschaltet.

Beskos passt gut in dieses kreative Understatement. Mit seiner dezenten Lässigkeit, dem blonden Haar in der Stirn und dem dunklen Pullover überm Hemd würde er als Schriftsteller ebenso durchgehen wie als Liedermacher. Seine Liebe gilt beidem. "Immer wieder finden sich Songzitate in Romanen und Erzählungen unserer Autoren wieder", erzählt der 33-Jährige. Der Einfluss von Poptexten auf das literarische Schaffen sei bisher zu wenig beachtet worden. Deshalb hat sich Beskos mit seinen Mitstreitern Peter Reichenbach und Blanka Stolz für die 25. mairisch-Veröffentlichung ein besonderes Jubiläumsprojekt ausgedacht. Ganz verlagsuntypisch (und schön anachronistisch) bringen sie eine Vinylplatte heraus, die die Literaturform der Lieddichtung würdigt.

Zehn Nummern von Songwritern aus Hamburg, München und Berlin stecken in dem kartongrauen Cover, auf dem (da schließt sich der Kreis) ein Buch zu sehen ist. Denn, so Beskos: "Die Songtexte sind zu wahren Buchstützen geworden." Zu "Bookends". So die englische Übersetzung und auch der Titel der Kompilation, die heute erscheint.

Ausreichend printwürdige Verse finden sich in dieser Sammlung allemal. "Da hinten geht der richtige Zeitpunkt/da drüben fährt die letzte Chance", singt etwa Kevin Hamann alias ClickClickDecker. Auch vier bisher unveröffentlichte Stücke sind auf "Bookends" zu finden, darunter "Wer du bist" des Hamburger Durchstarters Gisbert zu Knyphausen.

Die Inspiration durch Musik wirkt bei mairisch jedoch nicht nur auf die Autoren. Beskos geht so weit, dass sie ihren Verlag "ohne die Liebe zur deutschsprachigen Musik" gar nicht erst gegründet hätten.

Damals, 1996, organisierten Reichenbach und er Lesungen und Konzerte im Jugendzentrum ihrer hessischen Heimat Rodgau. Getrieben von ihrer Passion für Bands wie Blumfeld und Die Sterne. "Wir haben auch selbst Musik gemacht mit der Gitarre und Songs geschrieben, sind dann aber letztlich am reinen Wort hängen geblieben", erzählt Beskos. Und da das Wort, anfangs in Heften provisorisch zusammengetackert, eher brotlos schien, schlug Reichenbachs Oma vor: "Geht mal lieber das Mairisch im Garten rupfen." Das Unkraut. Grüne Ranken. Gedanken. Ein Name war gefunden.

"Der Do-it-yourself-Geist, mit dem wir damals gestartet sind, ist durchaus vergleichbar mit dem der Kassetten-Labels, über die in den 80ern und 90ern Musik vertrieben wurde", erklärt Beskos. Nachdem sie 1999 den Verlag offiziell gegründet hatten, drei Jahre später nach Hamburg gezogen waren und seit 2005 im Buchhandel vertreten sind, ist das Team auf fünf Mitarbeiter angewachsen. "Unsere Strukturen haben sich professionalisiert. Unsere Auflagen sind größer. Und wir produzieren nur noch Hardcover", umreißt Beskos die Entwicklungen bei mairisch.

Die Geschäftszahlen sind zwar schwarz, doch Gewinne werden meist direkt wieder in Projekte gesteckt. Etwa in "Monsieur, der Hummer und ich", ein Band mit kulinarischen Erzählungen von Stevan Paul, der aufwendig mit Fotos und Rezepten gestaltet ist. An dem Buch ist ablesbar, was bei mairisch Priorität hat: "Sorgfältig arbeiten." Weiteres Herzensziel ist es, Künstler langfristig zu begleiten. Doch damit nicht genug. Die mairisch-Crew veranstaltet nicht nur Lesungen, sondern kümmert sich in einer eigenen Reihe, etwa mit der Anthologie "pressplay", auch um die Kultur des Hörspiels. Wieder so ein Genre, das beides verbindet, Klang und Wort.

Übrigens: Dieser Artikel ist zur Musik von Broken Bells und Hafdis Huld entstanden.

Infos und Termine unter www.mairisch.de